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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

Titel: Bis zum Horizont
Autoren: Richard Paul Evans
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sehr wie eine Begegnung mit einem Grizzlybären.
    Alan Christoffersens Tagebuch
    Bevor ich mich auf den Weg in den Park machte, übernachtete ich im Brandin’ Iron Inn, wo eine riesige Nachbildung einer Bärenfalle über dem Eingang hing. Am nächsten Morgen aß ich zum Frühstück einen Eier-McMuffin, dann betrat ich den Yellowstone Park.
    Fußgänger müssen, genau wie Autos, Eintritt bezahlen, und ich löste für zwölf Dollar ein Ticket, das sieben Tage gültig war. Keine hundert Meter hinter dem Eingang informierte mich ein großes Schild darüber, dass ich jetzt in Wyoming war.
    Ein paar Meilen weiter kam ich an zwei Trompeterschwänen in einem Teich vorbei, der von Bäumen umgeben war, die in einem 30-Grad-Winkel wuchsen. Ich war froh, wieder in der Natur zu sein, und spürte ihre heilenden Kräfte. An jenem Abend schlug ich mein Zelt an einem Ort namens Whiskey Flats auf.
    Am nächsten Morgen führte mich mein Weg an zwei Geysirbecken vorbei, nämlich am Midway Geyser Basin und am Biscuit Basin, wo ich zusah, wie das dampfende Wasser des Geysirs durch geriffelte Sandsteinfurchen ablief, um im Fluss abzukühlen.
    Eine Stunde später informierte mich ein Schild, dass der Old Faithful nur noch eine Meile entfernt war. Nach einer Meile nahm ich die Abzweigung zum Old Faithful, wo ich seinen Ausbruch um ein paar Minuten verpasste, weil ich zuvor noch die Toilette aufgesucht hatte. Ich überlegte, ob ich auf den nächsten Ausbruch warten sollte, doch dann ging ich stattdessen zurück zur Hauptstraße und lief in südwestlicher Richtung weiter zur West Thumb Junction.
    Ich war seit etwa vier Stunden unterwegs, als ich die Kontinentale Wasserscheide erreichte, die auf einer Höhe von 2518 Metern lag. Was ich über die Kontinentale Wasserscheide wusste, war: Das Wasser auf der Westseite der Scheide fließt in den Pazifischen Ozean, das Wasser auf der Ostseite in den Atlantischen Ozean.
    Nicht bewusst war mir hingegen, dass die Kontinentale Wasserscheide nicht irgendein großer, gerader Kamm war, sondern vielmehr kreuz und quer verlief. Ich kam auf meinem Weg an zwei weiteren Schildern vorbei, die die Kontinentale Wasserscheide ankündigten. An jenem Abend zeltete ich illegal, nur 50 Meter abseits der Straße versteckt im dichten Wald.
    An meinem dritten Tag in Yellowstone erreichte ich das West-Thumb-Geysirbecken, das seinen Namen seiner Daumenform verdankt und ein Ausläufer des Yellowstone Lake ist, und begann meinen Weg um das Westufer des Sees. Die Landschaft war wunderschön, und die Luft frisch und süßlich. Ich fühlte mich an meinen Weg durch Washington auf dem Highway 2 erinnert.
    Der Tag verlief ohne Zwischenfälle, bis ich eine Erfahrung machte, von der jeder Tourist, der mit dem Auto durch Yellowstone fährt, träumt, die man aber, wenn man zu Fuß in der Wildnis unterwegs ist, auf keinen Fall machen will: Ich begegnete einem Grizzly. Es war gegen Mittag und ich hatte gerade eine Pause eingelegt, um etwas zu essen, als der Bär etwa dreißig Meter vor mir auf eine Lichtung trat. Ich griff langsam nach der Pistole in meinem Rucksack, während ich betete, ich möge sie nicht benötigen, da der Bär eindeutig im Vorteil war.
    Im Fernsehen hatte ich einmal einen Dokumentarfilm über einen Bärenangriff gesehen, daher verfügte ich über Informationen, die in diesem Augenblick durchaus beunruhigend waren: Der Stoffwechsel eines Bären ist so langsam, dass er nach einem Schuss genau durchs Herz noch immer zwei- bis dreihundert Meter weit laufen kann. Bei einer kleinkalibrigen Handfeuerwaffe tendierte die Chance, eines der lebenswichtigen Organe eines Bären in Bewegung zu treffen, gegen null – vor allem für meine ungeübte Hand –, und eine kleine 9-mm-Kugel würde das Tier vielleicht nur noch wütender machen.
    Ich war mir nicht sicher, ob der Bär mich überhaupt sah, aber ich nahm an, dass er meine Anwesenheit zumindest gerochen hatte. Er blieb ein paar unendlich lange Minuten in meiner Nähe, kratzte an einem Baum und tapste dann davon. Ich glaube, bis zu diesem Augenblick tat ich keinen Atemzug. Ich wartete noch zehn Minuten, um ganz sicher zu sein, dass er verschwunden war, dann ging ich zurück zur Straße und setzte meinen Weg fort.
    An jenem Nachmittag kam ich durch weitläufige Waldgebiete, die man abgebrannt hatte, sodass schwarze Asche auf den Bäumen lag und ein schwerer Schwefelgeruch die Luft erfüllte. Erst nach Einbruch der Dunkelheit wurde die Welt um mich herum wieder grüner. Dank der
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