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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger
Autoren: Strohmeyer Anette
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Prolog
    1835, einige Meilen südlich des Lake Kabetogama, „Raue Wasser“, an der Grenze zu Kanada unter britischer Verwaltung

    Alan Parker zügelte sein Pferd und gab seinen zwei Begleitern hinter sich ein Zeichen. Der alte Fallensteller lauschte in den verschneiten Wald hinein. Wenige Schritte vor ihm lag die Lichtung, auf der die Walcotts ihr Farmland bewirtschafteten. Das Blockhaus der Farmersfamilie lag genau auf der Hälfte des Weges, den sie zwischen ihren Jagdgründen, in denen sie ihre Fallen aufstellten, und dem Handelsposten Fort Frances zurücklegten. Jedes Mal kamen sie hier vorbei und machten bei den Walcotts Rast oder übernachteten in der Scheune.
    Es wurde bereits dunkel und die Sicht trübte sich. Das Blockhaus wirkte wie ein gedrungener schwarzer Klotz, der wie aus dem Nichts auf die schneebedeckte Fläche hinabgefallen zu sein schien. Licht flackerte einladend in den Fenstern, und Rauch stieg aus dem Kamin auf. Alles sah aus wie immer.
    Aber irgendetwas stimmte trotzdem nicht.
    Parker runzelte die Stirn und suchte nach einer Erklärung. Eine Krähe ließ in der Ferne ihren rauen Ruf erklingen. Eines der Pferde schnaubte.
    Schließlich wusste er es.
    „Kein Hund!“, sagte im selben Moment Two-Elk in seinem Rücken.
    Parker nickte und zog seine Flinte aus dem Futteral am Sattel. Der Hund der Walcotts, eine krude Mischung aus verschiedenen Rassen, bellte für gewöhnlich, wenn sich jemand der Farm näherte. Heute war es unheimlich ruhig.
    Konnte gut sein, dass die Walcotts keinen Hund mehr hatten, dachte Parker, wollte aber sicher gehen. Er spannte den Hahn seiner Flinte. Hier in den Wäldern weitab von jeglicher Zivilisation musste man mit allem rechnen.
    Er trieb sein Pferd an, und im Schritt trat es auf die Lichtung. Noch immer rührte sich nichts, im Haus blieb alles ruhig.
    Parkers Unbehagen wuchs. Er hob die Flinte. Two-Elk und Lacroix ließen die Packpferde mit den Pelzen zurück und scherten hinter ihm aus.
    „Walcott?“, rief Parker.
    Zwei Krähen flogen vom Dachfirst in den lichtlosen Himmel auf, doch Parker wandte seinen Blick nicht von der verschlossenen Holztür ab.
    „John? Eleanor?“, rief er erneut.
    Immer noch keine Antwort.
    Die hereinfallende Nacht tauchte das Blockhaus und den Stall in blaue Schatten. Parker bemerkte, dass es wieder zu schneien begann. Lautlos tanzten die Flocken im Lichtschimmer vor den Fenstern.
    Mit einem Blick verständigte er sich mit Two-Elk und glitt aus dem Sattel. Die Flinte im Anschlag näherte er sich vorsichtig der Tür, vor der ein Wirrwarr aus Spuren zu erkennen war. Parker studierte sie und lehnte sich dann seitlich gegen die Außenwand des Hauses. Seine Stirn zog sich in tiefe Falten. Zwischen den menschlichen Schuhabdrücken befand sich eine Spur, die er nicht einordnen konnte. So, als sei jemand barfuß durch den Schnee gegangen.
    Jemand ohne Zehen.
    Parker verfolgte die Spur mit seinen Augen. Sie kam als blaues Band geradewegs aus dem dunklen Wald. Schweiß brach ihm unter seiner Lederkleidung aus, und er schob sich seinen Hut in den Nacken. Er konnte nicht sagen warum, aber die seltsame Fährte löste eine dunkle Angst bei ihm aus. Unwillkürlich umklammerten seine Finger den Lauf seiner Flinte fester.
    Etwas war zu diesem Haus gegangen.
    Etwas aus den Wäldern.
    Womöglich war es noch drinnen. Dann hatte es sie bestimmt kommen gehört.
    Parker spürte, dass seine Begleiter ungeduldig wurden. Er nickte ihnen erneut zu, holte noch einmal tief Luft und warf sich schließlich mit Schwung gegen die Tür. Mit einem lauten Knall flog sie auf und schlug im Innern gegen die Wand. Schnell sprang Parker zurück in die Deckung der Hauswand. Er sah, wie Two-Elk und Lacroix von ihren Pferden aus auf die helle Öffnung zielten. Licht zerschnitt die Dunkelheit und beleuchtete den zertrampelten Schnee vor der Türschwelle. Ein beißend süßlicher Geruch drang aus dem Innern des Hauses und weckte in Parker scheußliche Erinnerungen. Kaum wagte er zu atmen. Wie oft hatten sich in entlegenen Blockhäusern entsetzliche Dinge abgespielt?
    ‚Jetzt beweg endlich deinen hageren Arsch, alter Mann!’, mahnte er sich selbst.
    Entschlossen stieß er sich von der Wand ab, drehte sich in den Eingang und ging gleichzeitig in die Knie. Über die Flinte zielend blickte er in das Innere des Blockhauses. Das Bild, das sich ihm bot, übertraf alles, was er bisher gesehen hatte.
    Parker musste schlucken.
    Übelkeit überwältigte ihn, als hinter ihm ein Schuss
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