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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
Autoren: Die Toten Hosen
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die bis vor kurzem noch gemeinsam in einer Punkrock-Kapelle gespielt hatten, in eine nicht besonders komfortable Wohnung in Düsseldorf-Flingern bestellt wurden. Das war an einem Freitag, dem 13. Februar 1982, irgendwann nach Mitternacht. Und der Kerl, den die beiden Pizzakartons dann mitbrachten, hieß ebenfalls Andreas und behauptete, Gitarre spielen zu können. Da entstand natürlich augenblicklich die Idee, als »Die drei Andreas« aufzutreten, was dann ein vierter Typ namens Michael, der durch den Besitz eines Gitarrenverstärkers praktisch unablehnbar war, gründlich verdarb. Sonst aber und danach lief es dann im großen und ganzen historisch belegt vorzüglich.
    Klingt gut, oder? Wir hegen und pflegen diese Geschichte wegen ihrer Wahrheit, ihrer sozialen und mystischen Andeutungen (Pizza ohne was drauf/ Freitag, der 13.) und ihrer erfrischenden Banalität. Denn es ist ja wirklich nicht so, daß Eddie Cochran oder Sid Vicious aus einer Wolke steigen, dich am Arm berühren, und schon geht es mächtig los. Und wenn es klingelt, ist es selten jemand Bedeutenderes als der Pizzamann. Weil wir nun aber doch »erfolgreich« geworden sind, wie man das nennt, verkehrt sich bei solchen Geschichten im nachhinein alles, was zuerst banal gemeint war, in etwas nachgereicht Glorioses. Es sieht dann immer so aus, als habe es sozusagen zwangsläufig so kommen müssen, weil auch im trostlosesten Käse schon der Keim zukünftiger Größe steckt - wenn man nur begabt ist und an sich selber glaubt.
    Ich, Campino, darf euch deshalb im Namen der Band, besonders aber des dritten Andreas, aufrichtig versichern, daß dies nicht stimmt. Jedes dritte Pizzapaar in Deutschland wird an zwei weitere Andreas’ oder Franks oder Markus’ geliefert, die auch in einer Band spielen, aber nie die Gelegenheit haben werden, der halben Welt von einer Freitagnacht zu erzählen, in der an zwei dampfenden Pappkartons ihr zukünftiger dritter Partner in der Combo hing. Und das nicht etwa, weil diese anderen Andreas’, Franks und Markus’weniger begabt wären oder weniger an sich selbst glaubten, sondern weil das große Ding bei ihnen einfach nicht passiert. Wir andererseits, die Hosen, können auch nach mehreren
    Millionen verkaufter CDs und einem Dutzend Gold- und Platinplatten noch immer nicht so ganz an unsere astrale Natur glauben. Und was die Handhabung unserer Instrumente betrifft, gilt weiter unwidersprochen, was Breiti einmal gesagt hat: »Wir spielen so, wie wir Auto fahren: nicht besonders gut, aber immer so schnell wie möglich.«
    Hier deshalb eine zweite, die historisch fundierte Bildungsbürgerversion. Danach liegt der Ursprungsort der Hosen in einem winzig kleinen Club in Neuss, dessen Wände längst Opfer der Abrißbirne geworden sind. Im geschmackvoll vermufften »Okie Dokie« stieg im Dezember ’8i das letzte Konzert der Abschiedstournee von ZK. Kuddel, ich und ein bißchen auch Andi gehörten zu dieser einmaligen Punkrock-Truppe, die eine Mischung aus Peter and theTestTube Babies und den »kleinen Strolchen« war. Das »Okie«, nahe dem Neusser Hafen, war uns durch zahlreiche Auftritte und einen Pool-Tisch schon so etwas wie eine zweite Firmenniederlassung geworden, und an diesem Abend wurden wir mitsamt unseren nachgereisten Fans, Feinden und Verwandten am Ende ein einziges biergetränktes, vergnügtes Knäuel. Dabei soll in der gleichen Nanosekunde, als alles zu Ende ging, schon ein neuer Anfang mit einer neuen Band beschlossen worden sein.
    Auch diese Geschichte ist nicht unbedingt falsch und hat ihren Reiz. Die neurotisch gesteuerten Künstler, die unter dem Drang ihres innersten Selbst nicht anders können, als sich immer wieder zu neuen Formationen und Projekten zusammenzutun - das versteht auch noch der letzte »Aspekte«-Zu-schauer am Fernsehgerät. Und es hat genau den historischen Drive, den sich Verfasser und Benutzer von Rock-Anthologien wünschen (»Aus der Punkrockband ZK hervorgegangene, fünfköpfige Düsseldorfer Formation...«). Aber ehrlich gesagt haben sich diese Wochen, als wir zwischen zwei Bands in der Luft hingen, damals nicht so zielgerichtet angefühlt, wie es im Rückblick vielleicht aussieht. Es war eine Frage des Zufalls, in welche ebenso umtriebigen Figuren man auf der Ratinger Straße in Düsseldorf gerade hineinrannte. Wer weiß überhaupt, was geschehen wäre, hätte mir der »Gatzbrun-nen« in Flingern in jenem Winter einen eigenen Frikadellenstand angeboten hätte - oder die Alemannia 08 das Amt
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