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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein
Autoren: Vincent Kliesch
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nur die Opfer sind für seine Botschaft wichtig, sondern auch die Art, wie sie zu Tode kommen. Und schon wieder musste der Täter einen Kompromiss eingehen: Das Opfer sollte eigentlich ertrinken. Weil wir es dann aber zu spät gefunden hätten, musste er sich mit Erfrieren zufriedengeben. Sein Todessymbol ist in diesem Fall das Wasser, nicht die Kälte.«
    Boesherz projizierte jetzt ein Bild des dritten Opfers an die Wand.
    » Nils Rau, der Brandstifter.« Der Kommissar musste sich ein Gähnen verkneifen, denn er hatte in dieser Nacht kaum geschlafen. Noch in den frühen Morgenstunden war er an den Tatort gerufen worden, an dem die Leiche des jungen Mannes aufgefunden worden war. » Unser Feuerteufel war vollkommen verbrannt«, fuhr er fort. » Wir würden noch gar nicht wissen, wer der Tote war, wenn sein Mörder uns nicht dessen Rucksack in der Nähe des Autos hinterlassen hätte.«
    » Rau war ein Autozünder. Einer der wenigen, die wir bisher erwischt haben«, fügte Olivia hinzu.
    Es war in den vergangenen Monaten immer öfter dazu gekommen, dass Unbekannte in Berlin wahllos Autos in Brand gesetzt hatten. Waren diese Straftaten zunächst noch politisch motiviert und vorwiegend gegen Fahrzeuge der Oberklasse gerichtet gewesen, waren viele der Kriminellen bald dazu übergegangen, aus reinem Vergnügen an der Zerstörung zu handeln. Nicht nur Fahrzeugbesitzer und Versicherungen hatte dies bereits um Millionen geschädigt. Die Brände, von denen bislang glücklicherweise noch keiner auf umliegende Gebäude übergegriffen hatte, brachten immer wieder auch Menschenleben in Gefahr. Nur selten war es der Berliner Polizei gelungen, einen der Brandstifter festzunehmen. Nils Rau war einer davon gewesen.
    » Das Gericht hat ihm Bewährung gegeben«, stellte ein Kollege fest.
    Boesherz warf ein Foto der verkohlten Leiche an die Wand und erwiderte in nüchternem Ton: » So kulant war sein Mörder nicht. Im Rucksack von Nils Rau haben wir alles gefunden, was der Junge gebraucht hätte, um den Mercedes selbst anzuzünden. Wenn ihr mich fragt: Sein Mörder musste das gar nicht für ihn übernehmen. Der Brandstifter, der in seinem eigenen Feuer verbrennt. Eine klare Botschaft!«
    » Bleibt Gereon Voss«, sagte Olivia.
    Selbstverständlich hatte Boesherz auch ein Foto des vierten Opfers vorbereitet.
    » Ein Fassadenkletterer, der gezwungen wird, mit eingeölten Händen von einem Hochhaus hinabzusteigen.«
    » Genauso eindeutig«, befand ein Kollege. » Er steigt hoch– und fällt tief.«
    Anstatt den Einwurf mit Worten zu kommentieren, imitierte Boesherz das Geräusch, das in einer Quizshow ertönen würde, wenn ein Kandidat eine falsche Antwort gegeben hatte.
    » Was hast du übersehen?«, fragte er dann.
    Das ganze Team war sichtlich angeschlagen. Zwei Morde waren in nur einer Nacht geschehen, zudem hatte der Staatsanwalt den Druck auf Castella erhöht, die keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass sie zeitnah greifbare Ergebnisse würde sehen wollen. Anstatt sich also an Theorien zu versuchen, warteten die Kollegen lieber ab, bis Boesherz seine Idee selbst vortrug.
    » Mit Opfer Nummer vier haben wir die erste deutliche Abweichung von seinem bisherigen Muster«, erklärte dieser schließlich. » La Maire hat Tiere gequält, Steinmetz hat die Gesellschaft betrogen, Rau hat fremdes Eigentum zerstört. Und Voss?«
    Sekundenlang herrschte Stille, bis Olivia das Schweigen brach.
    » Er hat niemanden geschädigt«, stellte sie fest. » Seine Kletterei war dumm, leichtsinnig, riskant– aber er hat nur sich selbst damit in Gefahr gebracht.«
    » Was bedeutet, dass wir es nicht mit einem Täter zu tun haben, der im Sinne des Gesetzes bestrafen will, sondern…?«
    Wieder war es Olivia, die antwortete.
    » Im Dienste einer gesellschaftlichen Moral.«
    Boesherz räusperte sich, schaltete den Beamer aus, setzte sich auf einen Stuhl, zog seine Taschenuhr aus der Weste, klappte sie auf und schloss die Sitzung mit den Worten: » Die Zeit läuft uns davon. Also, aus welchem Grund hat er so plötzlich mit seiner Mordserie angefangen? Was war der Auslöser? Warum hat er es so verdammt eilig? Was hetzt ihn? Wonach sucht er seine Opfer aus, was für Vergehen stehen noch auf seiner Liste?«
    Erst jetzt erhob sich Castella, schlug ihr Notizbuch zu und rief von hinten durch den Konferenzraum: » Wenn es Ihnen möglich ist, würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Sie diese Fragen schon beantworten und den Täter fassen könnten, bevor die
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