Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein
Autoren: Vincent Kliesch
Vom Netzwerk:
Ach, Vater«, besann er sich deshalb und strich dem alten Herrn liebevoll durch das weiße Haar. » Du wirst dich über dein Geschenk freuen, das verspreche ich dir.«
    Und während er wieder ins Esszimmer zurückging, flüsterte Anselm: » Scheinbar. Die Regeln der Väter sind recht ganz und gar.«

7
    » Das war eine sehr beeindruckende Ansprache«, begann Castella, nachdem Boesherz sich ihr gegenüber auf einen der unbequemen Besucherstühle mit den knarrenden Lehnen gesetzt hatte. » Ich frage mich nur, ob Ihre Erkenntnisse wirklich die Ermittlungsarbeit vorantreiben oder eher dazu dienen, Ihren neuen Kollegen zu imponieren.«
    Boesherz kontrollierte demonstrativ seine Manschettenknöpfe, um zu signalisieren, dass er auf diese Frage nicht eingehen würde.
    » Sicher, Sie sehen sehr viele Dinge«, fuhr Castella ungerührt fort. » Einen Täter wie unseren finden Sie aber nicht, indem Sie über Moral und Todeslisten philosophieren. Der Innensenator ruft jeden Tag bei mir an, und die Pressestelle rotiert von früh bis spät. Wir müssen das Tempo noch weiter erhöhen. Ich habe mir deshalb erlaubt, Ihrem Team ab morgen eine weitere Verstärkung zur Seite zu stellen.«
    » Eine Frau«, stellte Boesherz nüchtern fest. » Eine Sachverständige, aber sie kommt nicht aus Berlin.«
    Castellas Blick drückte Neugier aus.
    » Eine weitere Polizistin brauchen wir nicht, die Sonderkommission ist gut besetzt«, erklärte Boesherz daher. » Also muss es eine Sachverständige sein, weil man die immer gern hinzuzieht, wenn man der Staatsanwaltschaft demonstrieren möchte, dass man seine Bemühungen verstärkt. In Deutschland gibt es nur wenige weibliche Expertinnen für solche Fälle, aus Berlin stammt keine davon.«
    Castella widersprach nicht. Selbst den Seitenhieb ihres Mitarbeiters übersah sie geschickt.
    » Und woher wissen Sie, dass es eine Frau ist?«, fragte sie stattdessen.
    Boesherz schmunzelte, bevor er antwortete.
    » Ich dachte, wenn es ein Mann wäre, hätten Sie Ihren Satz anders formuliert. So was wie: Ich habe einen Sachverständigen hinzugezogen. Das Wort Verstärkung klang so, als seien Sie um Geschlechtsneutralität bemüht.«
    » Gut, Severin«, fuhr Castella fort. » Frau Dr. Bartholy kommt aus Neuruppin, und sie ist tatsächlich Serienmörderexpertin. Die renommierteste, die es in Deutschland gibt. Sie hat deren Geschichten studiert, viele von ihnen in ihren Haftzellen besucht und Gespräche mit ihnen geführt. Sie ist außerdem Psychologin und wird uns mit ihrem geballten Wissen hoffentlich zu neuen Erkenntnissen verhelfen.«
    » Warum ich da nicht selbst drauf gekommen bin«, hielt Boesherz dem entgegen. » Ich höre mir von einer Expertin an, warum Ted Bundy damals all diese Frauen ermordet hat, und schon haben wir unseren Jack in null Komma nichts in der Zelle sitzen.«
    » Im Rheingau mögen ja eigene Verhältnisse herrschen«, begann Castella nun ruhig und ohne eine Spur von Sarkasmus. » Hier in der Hauptstadt ticken die Menschen aber anders. Die Berliner nennen auf ihren Anrufbeantwortern nicht ihre Namen, weil sie denken, man würde sonst ihre Wohnungen ausrauben, wenn sie nicht zu Hause sind. Wenn man sie auf der Straße nach dem Weg fragt, umklammern sie sofort ihre Geldbörsen, und wenn ein einzelner Mann auf dem Spielplatz ein paar Kindern beim Schaukeln zuguckt, ruft sofort irgendeine Mutter die Polizei. Wir sind hier alle sehr aufgeregt, paranoid und fest davon überzeugt, dass jeder, außer uns selbst, ein Krimineller ist.« Castella schien sich nicht mit Boesherz anlegen zu wollen. Er hatte eher das Gefühl, dass sie ihn auf ihre Seite ziehen wollte. » Brutale Morde, ausgeschlachtet von der Presse– was glauben Sie, was das mit den Menschen in dieser Stadt macht?«
    » Sie haben recht«, antwortete Boesherz. » Im Rheingau ist das anders. Wir halten mit dem Auto an, um Fußgänger über die Straße zu lassen. Wenn uns jemand, den wir nicht kennen, freundlich grüßt, vermuten wir nicht, dass er uns umbringen will, und unsere Kinder schicken wir morgens einfach in die Schule– ohne dass wir sie vorher Selbstverteidigungskurse besuchen lassen. Jack bestätigt die Menschen in dieser Stadt einfach nur in ihrer ohnehin schon unerschütterlichen Überzeugung, dass wir alle sowieso längst verloren sind. Und wie wird diese Episode ausgehen? Wir werden ihn schnappen, man wird ihn wegsperren, und alle werden ihn vergessen.«
    » Was ist mit den Toten?«
    Boesherz zuckte mit den Schultern.
    »
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher