Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ich bei dir bin

Bis ich bei dir bin

Titel: Bis ich bei dir bin
Autoren: Emily Hainsworth
Vom Netzwerk:
Tür. Das Büro ist mit zwei unglaublich weichen Ledersofas und einem Schreibtischsessel eingerichtet. Der Teppich ist beige. Fotos von ihrem Mann und ihrem Sohn hängen verstreut an den Wänden.
    Sofort merke ich, dass etwas nicht stimmt. Dr. Summers sitzt nicht wie sonst auf ihrem Stuhl, sondern lässig auf einer der Couchs, den Ellbogen auf die Armlehne gestützt. Ihr Klemmbrett hält sie im Schoß. Die kurzen, nachgedunkelten blonden Haare sind wie immer ordentlich frisiert, aber ihre Brille liegt neben ihr auf dem Tischchen, und sie mustert mich aufmerksam.
    »Wir haben uns zwei Wochen lang nicht gesehen, Cam.« Sie lächelt. »Wie läuft’s denn so?«
    »Tut mir leid, habe es letzte Woche vergessen.«
    Das ist eine derart schwache Lüge, peinlicher geht’s nicht. Seit zwei Jahren komme ich jeden Freitag um vier hierher, seit ich aus dem Team ausgestiegen bin. Seit mein Dad sich davongemacht hat. Sie weiß, wie ich zu ihm stehe, wie ich zum Football stehe, zu den Leuten in der Schule. Ich bin immer ehrlich zu ihr gewesen, nur in den letzten zwei Monaten habe ich ihr Woche für Woche Lügen erzählt. Ich will einfach nicht, dass sie erfährt, wie ich mich wirklich wegen Viv fühle. Ich meine, sie weiß, was ich für sie empfunden habe, aber ich kann ihr nicht sagen, was seitdem in mir vorgeht. Dass mein Leben mit Vivs geendet hat. Dass ich an dem Unfall schuld bin. Dass ich jeden Tag aufwache und mich frage, warum ich es bin, der noch da ist.
    Lance schiebt seine Schnauze in den Spalt unter der Tür, und ich schiele zu ihm hinüber.
    Dr. Summers sieht es, woraufhin ihr Gesicht sich aufhellt.
    »Weißt du was, ich verstoße jetzt mal gegen meine eigene Regel. Lassen wir Lance doch rein, nur heute.«
    Noch bevor ich etwas sagen kann, öffnet sie die Tür, und der Hund stürmt herein, als hätte er gerade das große Los gezogen. Er hockt sich auf meine Füße, sein Schwanz wedelt wie wild, und schmachtet mich mit heraushängender Zunge an. Ich werfe Dr. Summers, die nun wieder auf der Couch sitzt, einen Blick zu. Sie nickt, also tätschele ich ihrem Hund den Kopf, denn was soll ich machen, wenn er mich so ansieht?
    »Das ist ein guter Tag für dich«, flüstere ich ihm ins Ohr.
    Dr. Summers beugt sich vor. »Aber nicht für dich?«
    Ich klappe den Mund zu und begreife, wie perfekt sie das eingefädelt hat.
    »Nein«, gebe ich mich geschlagen.
    »Es ist heute genau zwei Monate her, nicht wahr?«
    Ich sage nichts.
    »Wie geht es dir damit, Cam?«
    Ich knirsche mit den Zähnen. In meinen Fäusten halte ich dicke Büschel rötliches Fell gepackt. Ich lockere meinen Griff und streichele Lance wieder sanft. Er sieht mich mit seinen großen braunen Augen an und leckt meinen Arm.
    »Du gibst dir alle Mühe, nicht über Viv zu sprechen, seit sie gestorben ist.«
    Meine Augen brennen. Ich starre ins Nichts und beiße fest auf die Innenseite meiner Wange. Ich habe hier noch nie geweint und werde jetzt nicht damit anfangen. Bestimmt ist ihr klar, dass ich sie die ganze Zeit angeschwindelt habe, was alles irgendwie nur noch schlimmer macht. Lance rollt sich auf den Rücken, um den Bauch gekrault zu bekommen.
    »Cam«, sagt sie sanft. »Ich bin hier, um dir zuzuhören.«
    Ich konzentriere mich auf Lance und streichele über das weiche, goldfarbene Fell an seinem Bauch. Sie beobachtet mich, wartet darauf, dass ich etwas sage. Es ist nicht auszuhalten.
    »Ich habe so einen Traum – von Viv«, murmele ich. Dr. Summers’ Schultern entspannen sich, und ich weiß, das wird fürs Erste genügen. »Er kommt immer wieder, sie geht zuerst auf mich zu, dreht sich dann aber weg.«
    Sie spricht darüber, was der Traum für mich bedeuten könnte, und ich höre ihr mit halbem Ohr zu. Das meiste ist Psychogelaber, aber ich muss einen interessierten Eindruck machen, sonst komme ich hier nie raus. Um fünf bin ich total erschöpft, doch es war die Sache wert, denn Dr. Summers sieht hochzufrieden aus, als sie mich zur Tür bringt.
    »Danke, dass du deinen Traum mit mir geteilt hast, Cam.« Sie drückt mir aufmunternd die Schulter. »Ich weiß, dass du sehr leidest im Moment, und das ist auch völlig normal, aber ich glaube, Viv würde nicht wollen, dass du ewig so weitermachst.«
    Ich will gerade den Kopf von Lance zum Abschied tätscheln und halte abrupt bei seinem Ohr inne.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Dass du noch dein ganzes Leben vor dir hast.«
    »Im Gegensatz zu Viv?«, erwidere ich tonlos.
    Dr. Summers antwortet nicht gleich. »Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher