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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt
Autoren: Ravensburger
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Ausbruchsversuche ein.
    »Entschuldigung«, sagte Nils zerknirscht.
    In diesem Moment wusste ich tatsächlich nicht, was er meinte.
    »Na, wegen dem Arm. Das wollte ich nicht.«
    »Kann ich mir denken«, sagte ich leise, ohne ihn anzusehen. »Vergiss es.«
    Ich drehte mich ab und begann den Raum mit der Taschenlampe auszuleuchten. Er war nicht groß, aber doch großer, als ich gedacht hatte. Soweit ich auf den ersten Blick erkennen konnte, war er völlig leer. Allerdings hatten die Batterien der Lampe ihren Geist so gut wie aufgegeben und der Lichtkegel reichte nicht bis in die hinteren Ecken. Behutsam tastete ich mich vor. Immer wieder sagte ich Pits Namen. Nils kam hinter mir her. Ich sah es nicht, aber ich hörte es.
    »Da hinten liegt irgendwas«, sagte er.
    Mein Herz begann wie wild zu rasen. Tatsächlich lag hinter einem kleinen Mauervorsprung in der hinteren rechten Ecke etwas. Auf den zweiten Blick erkannte ich einen menschlichen Körper, leblos, zusammengerollt wie eine schlafende Katze, um sich vor der Kälte zu schützen. Er hatte uns den Rücken zugekehrt, trotzdem sah ich sofort, dass es Pit war. Irgendetwas Weißes war um sein Bein gebunden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man bei diesen Temperaturen schlafen konnte.
    »Pit!«, rief ich. »Was ist mit dir? Pit?«
    Ich fasste ihn an der Schulter und bewegte ihn vorsichtig. Er rührte sich nicht. Ich rüttelte ihn etwas. Nichts. Vielleicht war er erfroren. In wilder Panik schrie ich seinen Namen und fing an zu heulen wie noch nie.
    »Du musst aufpassen«, mahnte Nils geistesgegenwärtig. »Das Blut hier ist sicher von ihm.« Er hatte sich neben mich gehockt und untersuchte im Funzellicht der Taschenlampe behutsam Pits Bein, vor allem die Stelle mit dem weißen Verband.
    »Ein T-Shirt«, sagte er. »Scheinbar sein eigenes. Er hat eine Verletzung am Knie. Sieht aber nicht so schlimm aus.«
    Dann sah ich, dass Pit sich bewegte. Er kam zu sich. Mir schossen Geschichten durch den Kopf, in denen Tote wieder auferstanden waren. Langsam drehte er sich in unsere Richtung. »Klara?« Seine Stimme war belegt, er räusperte sich ein paarmal. »Was machst du denn hier?«
    Hatte er wirklich nur geschlafen? Wie erschöpft musste jemand sein, der so tief schlief? Vielleicht war es aber auch das Chloroform, das so lange nachwirkte? Ich hatte keine Ahnung, aber letztlich war das alles egal: Er lebte!
    »Pit!«, stieß ich erleichtert hervor. »Alles okay bei dir?«
    »Glaub schon«, meinte er. »Das Bein tut weh. Da hab ich mir so einen blöden Nagel reingerammt. Und irrsinnigen Durst hab ich.«
    Bis dahin hatte ich fast vergessen, dass ich selbst auch verletzt war. Jetzt erst spürte ich den Schmerz wieder. Ich zog meine Jacke aus, Nils half mir dabei. Wir stellten fest, dass die Wunde nicht wirklich tief war, also hoffentlich auch nicht gefährlich. Ich hatte auch nicht so stark geblutet wie befürchtet. Nina, die ich inzwischen fast vergessen hatte, tupfte mir etwas Blut mit einem Stofftaschentuch fort.
    Sie machte ein Gesicht, als täte ihr alles furchtbar leid. Aber darauf fiel ich nicht mehr rein, schließlich war ich nicht blöd. Vorsichtig streifte ich meine Jacke wieder über. Ich sah, dass Ninas Taschentuch die gleichen Initialen hatte wie das Tuch, mit dem Pit betäubt worden war: HGH  12.
    »Was ist das denn?«, fragte ich verblüfft.
    »Ich hab ein paar Jahre in einem Heim gewohnt«, sagte Nina, sofort Morgenluft witternd, weil ich wieder mit ihr redete. »Hans Gerdes-Heim. Jeder da hatte eine Nummer, meine war die Zwölf. Alles, was man hatte, wurde damit ausgezeichnet. Ein paar Taschentücher hab ich noch immer. So eine Art Andenken. Damit ich mich immer dran erinnere, wie beschissen es da war.«
    »Hat Fred vielleicht auch welche davon?«, fragte ich.
    »Schon möglich. Ich hab ja ein paar Nächte bei ihm gepennt. Warum?«
    »Nicht wichtig«, sagte ich und ließ sie wieder links liegen. Wenn ich ihr länger als eine halbe Sekunde ins Gesicht sah, packte mich die blanke Wut. Ich hatte Angst, dass ich ihr die Augen auskratzen könnte. Eine solche Schlange hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.
    »Was hast du bisher versucht«, wandte sich Nils an Pit, »um hier rauszukommen?«
    »Alles.« Pit setzte sich auf. »Es gibt keinen Weg raus.«
    »Doch«, sagte Nils bestimmt. »Einen gibt es mit Sicherheit.« Fragend sahen wir ihn an.
    »Der, durch den wir auch reingekommen sind«, meinte er und stand auf, um die Steinplatte noch mal näher
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