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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt
Autoren: Ravensburger
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quatschte irgendwas von Renovierungsarbeiten an ihrem Haus.
    »Aber warum hat er Phil erschlagen?«, flüsterte auch ich.
    Nina schwieg. Der Verkehr draußen war dicht und zäh, wir quälten uns durch. Schließlich nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und meine ganze Kraft, um die Frage zu stellen, die mir seit Tagen unter den Nägeln brannte: »War es Pit, der den Mann in der Tankstelle erschlagen hat?«
    Die Welt blieb stehen.
    Nina sah mich an. Die Ringe unter ihren Augen waren jetzt nicht mehr so deutlich. Eine Ewigkeit sagte sie gar nichts. Sogar die Chauffeurin blieb eine Weile still.
    Dann flüsterte Nina die Antwort. Ich verstand sie erst, als sie etwas lauter wiederholte: »Nein.« Und nach einer Weile fügte sie hinzu: »Für so was taugte er nicht. Deshalb wollte er ja aussteigen. Und Phil wollte ihm dabei helfen.«
    Ihre Stimme klang verzagt, fast tonlos. Sie machte mich total nervös. Ich wusste nicht, was ich von ihr halten sollte. Mal war sie die toughe Gangsterbraut, mal die mitleidige Seele. Vielleicht war sie wirklich ein Junkie, der unter Stimmungsschwankungen litt. Ich kannte mich mit so was nicht aus. Nina schaute weiter aus dem Fenster.
    »Deshalb musste Phil sterben?«, brachte ich heiser hervor.
    Nina nickte stumm.
    »Wer hat den Mord in der Tankstelle begangen?«, fragte Nils. »Wer, wenn nicht Pit?«
    »Das war ein anderer, erst dreizehn. Der ist jetzt wieder in Hamburg, wo er auch herkam. Dort hat er schon früher jahrelang auf der Straße gelebt. Pit sollte in der Bande seine Stelle einnehmen. Bisher hat er nur geklaut und anderen Kleinkram gemacht. So fangen fast alle an. Jetzt aber, meinte Fred, sei er so weit.«
    Wie weit?, dachte ich. Weit genug, um einen Menschen zu töten? Aber ich hielt die Klappe.
    »Davor wollte Phil ihn wohl schützen«, fuhr Nina fort. »Ich weiß auch nicht genau. Jedenfalls hat er gegen die Entscheidung vom Boss aufgemuckt. Deshalb ist der auf ihn los wie ein wild gewordener Stier. Wir konnten alle nichts dagegen machen. Keiner hätte ihn aufhalten können.«
    Wir waren am Segelhafen angekommen. Das Taxi hielt.
    »Keiner«, wiederholte Nina.
    Je mehr Zeit verstreicht, umso mehr Vorwürfe macht sie sich, nicht selbst zum Moby Dick gefahren zu sein. Aber zu diesem Zeitpunkt war es ihr unmöglich erschienen. Weber, der Leiter des Präsidiums, hatte nach ihr geschickt. Sie sollte ihm detailliert Auskunft über den Stand der Ermittlungen in beiden Mordfällen geben. Dass es scheinbar nicht vorangeht, sorgt für große Unruhe und Sorge in der Bevölkerung. Die Presse macht Druck.
    Sie wird von Zweifeln geplagt wie sonst nie. In plötzlicher Entschlossenheit steht sie auf, streift ihre Lederjacke über, zieht im Losgehen das Handy aus der Tasche, will die Nummer von Remmers tippen, da klingelt das Telefon auf ihrem Schreibtisch. Eine Sekunde überlegt sie, dann hebt sie ab.
    »Gröling. Hallo?«
    Zuerst klingt ihre Stimme genervt, abweisend.
    »Hören Sie. Ich habe im Moment leider überhaupt keine Zeit. Rufen …«
    Mitten im Satz hält sie inne, vergisst fast, den Mund zu schließen, als die Anruferin weiterspricht.
    »Nein«, sagt sie schließlich. »Da haben Sie Recht. Wie ein Spiel klingt das nicht. – Wo sind Sie jetzt? – Gut, ich bin so schnell wie möglich bei Ihnen.«

18
    »Du musst dich irren«, sagte ich. »Hier ist Pit garantiert nicht.«
    Wortlos kämpfte Nina sich weiter durchs Gestrüpp. Tatsächlich führte sie uns zur alten Schröder-Werft. Obwohl es sinnlos erschien, hatten wir nur die Chance, ihr zu folgen. Plötzlich hielt sie an.
    »Natürlich«, stieß Nils halblaut hervor. »Der Bunker!«
    »Ein Schlauscheißer ist er, dein Freund«, meinte Nina. »Aber wo er Recht hat, hat er Recht.«
    Sie triumphierte geradezu, als sie uns in das Innere des grauen Monstrums führte. Es roch nach feuchtem Beton und nach Stahl. Ursprünglich war der Bunker wohl in mehrere Räume unterteilt gewesen. Die meisten Mauern waren aber nur bruchstückhaft erhalten, sodass man die frühere Struktur lediglich erahnen konnte. Zielstrebig führte Nina uns in einen der hinteren Räume. Ich hatte ein Gefühl, als ob ich mich selbst von außen beobachtete.
    »Die Luke im Boden?«, fragte Nils.
    »Du kennst dich hier aus?« Nina wunderte sich.
    »Schon«, meinte er knapp.
    Ich glaube, er schämte sich fast, dass er nicht früher darauf gekommen war, hier nachzusehen. Mir ging es nicht viel anders, ich hätte mich ohrfeigen können.
    Wir standen jetzt vor einer in den
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