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Bis du erwachst

Bis du erwachst

Titel: Bis du erwachst
Autoren: Lola Jaye
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ja, ihre und Ades), und die Einzige, die hier recht hatte (vor allem gerade jetzt), war sie selbst, und das würde sie gleich beweisen.
    Sie drückte auf eine Taste, und die Kassenschublade sprang auf.
    «Falls es sich nicht um eine dieser seltenen unsichtbaren Zaubernoten handelt, ist Ihr Zwanziger nicht da. Sie haben mir einen Zehner gegeben. Wünschen Sie sonst noch etwas,
Sir?
», fragte sie scharf. Sie hoffte, dass dieser spezielle Gast nicht wiederkam. Nie wieder. Es war schließlich nicht so, als wäre die Bar auf ihn angewiesen. Nach drei langen Jahren Schufterei und schlafloser Nächte und einigen angespannten Terminen bei dem kaum dem Teenageralter entwachsenen Bankfilialleiter warf das A&R endlich Gewinn ab. Jeder, vor allem ihre Schwester Lena, hatte sie gewarnt, dass der Schritt in die Selbständigkeit schwierig und sehr risikoreich sein würde. Aber Cara und Ade hatten Herzblut in ihr Projekt gesteckt, und neben dem Blut noch jede Menge Schweiß und Tränen. Und während der Rest der Welt in einer globalen Rezession versank, konnten Cara und Ade sich behaupten, weil East Dulwich sich gerade zur bequemeren und billigeren Alternative zum Londoner West End entwickelte. Und das A&R mit seinem entspannten und coolen Look – schummrige Beleuchtung aus Mini-Lüstern, kleine Séparées mit bequemen Ledersofas, abgeteilt durch glitzernde Musselinvorhänge – konnte mit den besten Bars im West End mithalten. Nicht zu weit entfernt lebten Cara und Ade in einer Traumwohnung, von der aus sie einen wunderschönen Blick über London hatten. Im Prinzip hatte sie ihr Leben im Griff. Alles war genau so, wie es sein sollte: Sie hatte einen wunderbaren Lebensgefährten, eine schöne Wohnung, und ihr Geschäft lief super.
    Cara fuhr sich mit den Fingern durch das kurzgeschnittene Haar. Sie war müde, und ihr taten allmählich die Füße weh – was einerseits wohl daran lang, dass sie den ganzenTag pausenlos auf den Beinen gewesen war, und andererseits, dass sie ein Paar neue hochhackige Schuhe aus lila Satin trug, die noch eingelaufen werden mussten. Das war noch etwas, was die gutgehende Bar ihr ermöglichte: freie Schuhauswahl. Die Verkäuferinnen bei Kurt Geiger und Bertie sprachen sie schon mit Vornamen an. Sie besaß ein Paar Christian Louboutins und ein Paar Sergio Rossis, und bald würde sie ein Paar herrliche schwarz-orange Ginas mit einem Absatz von zwölf Zentimetern ihr Eigen nennen. Je höher der Absatz, desto selbstbewusster fühlte sie sich – vor allem, weil sie nur eins fünfzig maß.
    «Cara! Cara!», rief Ade von der anderen Seite der Bar. Seine Stimme klang drängend und ungeduldig, was gar nicht zu Ade passte. Normalerweise war er der Ruhige und sie die Chaotin. Er war der Nette und sie (und sie hatte kein Problem damit, das zuzugeben) die Ruppige. Was war los mit ihm?
    «Ade?» Sie gingen aufeinander zu, beinahe in Zeitlupe. Ade hielt das schnurlose Telefon umklammert, die Hand über der Sprechmuschel. «Für dich», flüsterte er. Seine Miene war düster.
    Ihr Herz begann zu rasen. Irgendetwas war passiert. Alle möglichen Schreckensvorstellungen jagten ihr durch den Sinn. Vielleicht waren sie gar nicht so gut bei Kasse, wie sie gedacht hatte? Vielleicht würde ihre Bar doch der Rezession zum Opfer fallen. Mit allem könnte sie zurechtkommen, nur damit nicht. Bitte nicht. «Wer ist dran?», wisperte sie. Sie fühlte sich plötzlich nicht imstande, das Telefon von ihm entgegenzunehmen.
    «Das Fen Lane Hospital. Sie   … sie müssen   … dich dringend sprechen!» Er redete in winzigen Explosionen, soschien es, und er schnappte nach Luft, als wäre er eben zwanzig Bahnen geschwommen. Seine Augen waren weit aufgerissen und wachsam.
    Cara rutschte das Herz in die Hosen, sie stand wie angewurzelt. Die Stylistics plärrten derweil ihr «Betcha By Golly Wow» durch das hochmoderne Soundsystem.
    «Das Krankenhaus?», wiederholte sie so leise, dass sie von der Musik übertönt wurde.
    «Es   … es geht um Lena   …», sagte Ade.

2
    Millie befand sich in einem Zustand monumentaler Seligkeit, anders konnte man es nicht ausdrücken. Voll Entzücken betrachtete sie die riesigen Zehen, die am Fußende des überaus unordentlichen Bettes unter der Bettdecke hervorragten.
    «Aufwachen, du Schlafmütze», sagte sie und tauchte selbst unter der Decke hervor. Der Fuß bewegte sich ein wenig, und sie beugte sich zum Nachttischchen und schaltete das winzige rosa Digitalradio ein. Unter der Decke drang ein
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