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Bis du erwachst

Bis du erwachst

Titel: Bis du erwachst
Autoren: Lola Jaye
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er den obersten Stock des Treppenhauses erreicht hatte. Doch anstelle des fließenden schwarz-goldenen Hausanzugs, in den sie sonst immer schlüpfte, sobald sie nach Hause kam, trug sie noch die Kleider von der Arbeit, eine sehr sachliche Kombi aus Hose und Weste.
    «Hi», sagte sie. Sie roch köstlich. Er beugte sich zu ihr und wollte sie küssen, doch sie wandte den Kopf ab.
    «Hübsch siehst du aus. Und du riechst so gut. Nach Pfirsich.»
    «Papaya eigentlich.»
    Jen ging in die Küche und kam mit zwei Tellern vom Mittagsmenü von Marks & Spencer zurück. Dazu gab es ein Töpfchen Hummus, obwohl sie doch wusste, dass er das Zeug verabscheute.
    Michael begann zu essen. Er spürte, wie sie ihn mit ihren Blicken durchbohrte. Wenn er nicht so hungrig gewesen wäre, hätte ihn das ziemlich nervös gemacht.
    Während des Essens redeten sie kaum miteinander, und sobald er fertig war, griff sie nach seinem Teller, um abzutragen. Er versuchte, ihre Taille zu umfassen, doch sie schob seine Hände weg.
    «Wir müssen reden, Michael.»
    Unbehaglich rutschte er auf dem Stuhl herum.
    «Es ist ernst.»
    Sie zog ihren Stuhl näher an den seinen. «Wohin soll das mit uns noch führen?», fragte sie und zwang ihn, sie anzusehen.
    «Ich weiß nicht, was du meinst.»
    «Du weißt sehr wohl, was ich meine.»
    Er wusste es tatsächlich nur zu gut. Schließlich waren sie nicht zum ersten Mal an diesem Punkt. Er erinnerte sich, dass sie schon vor einem Jahr darüber gesprochen hatten.
    «Du hast gesagt, ein halbes Jahr.»
    «Ich weiß   …»
    «Das war vor zwei Jahren, Michael.»
    Vor zwei Jahren?
«Bist du sicher?»
    «Natürlich», erwiderte sie scharf. «Wir kennen uns jetzt seit drei Jahren.»
    Ihm war nicht klar gewesen, dass es schon so lang war.
    «Gib mir noch ein halbes Jahr oder so, damit ich mit mir ins Reine komme», meinte er. «Dann können wir fest zusammen sein.»
    Michael hatte das Gefühl, in der Klemme zu stecken. Damals hatte er es sicher ernst gemeint. Er hatte gehofft, seinen Lebens-/​Arbeits-/​Finanzstatus zu verbessern, aber da sich immer noch nichts getan hatte, na ja   …
    «Nun?» Sie verschränkte die Arme, und Michael schluckte. «Ich muss wissen, ob wir eine Zukunft haben. Dass diese   … diese
Beziehung
, wenn man das so nennen kann, zu irgendetwas Ernsterem führt   …»
    «Ich brauche einfach noch Zeit», erklärte er.
    «Klar, noch ein paar Monate», erwiderte Jen und umklammerte ihre Arme fester.
    «Was ist falsch daran?»
    «Weil die richtige Zeit vielleicht nie kommen wird? Du scheinst zu glauben, wir hätten alle Zeit der Welt! Und dass dann alles wie von selbst läuft, wenn
du
entscheidest, dass du so weit bist!»
    In seinen Ohren klang das absolut vernünftig.
    «Ich glaube, ich muss aufwachen und endlich erkennen, dass ich es nicht bin, oder?», sagte sie ruhig und mit leicht zitternder Stimme. Michael hoffte, dass sie nicht anfangen würde zu weinen. Damit käme er gar nicht zurecht.
    «Was bist du nicht?»
    «Die Richtige. Wenn ich es wäre, müsstest du nicht dauernd Ausreden erfinden. Wir wären einfach zusammen. Das dürfte dir nicht so schwerfallen, Michael.» Sie seufzte tief auf.
    «Du weißt, dass ich von dem ganzen Quatsch mit der‹Richtigen› nichts halte, Jen. Komm schon   …» Freundlich streckte er ihr den Arm entgegen, aber sie sah ihn nur stumm an.
    «Denk einfach über das nach, was ich gesagt habe, Michael.»
    Er sah Jen an und wusste, dass sie es nicht verstehen würde, wenn er anfinge, es ihr zu erklären.
    «Michael, ich werde auch nicht jünger – wir beide nicht. Und ich habe die Warterei satt. Aus irgendeinem Grund scheinst du zu glauben, wir hätten alle Zeit der Welt. Hier ist eine Neuigkeit für dich: Haben wir nicht!»
    «Jen   …»
    «Ich habe es satt, dass du einfach hier hereinschneist, wann es dir gefällt, ohne einen Gedanken an mich zu verschwenden. In deiner Wohnung steht noch nicht mal meine Zahnbürste. Es ist dir ja nicht mal recht, dass ich vorbeikomme!»
    Weil, hätte er gern gesagt, meine Wohnung als Müllhalde durchgehen könnte und es mir viel lieber ist, wenn du das nicht siehst. Weil du eine Eigentumswohnung hast, ein schönes Auto fährst
und
deinen Haarpflegekram bei Selfridges kaufst! Während ich dir nichts zu bieten habe. Nichts, was etwas wert wäre. Im Moment jedenfalls nicht. Eines Tages aber schon. Bald. Ganz bestimmt.
    Das brauchte er Jen jetzt nur noch zu erklären. Leider würde er dabei klingen wie ein Mann mit schweren
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