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Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt

Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt

Titel: Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt
Autoren: Becca Fitzpatrick
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Küstennebel sammelt, dann bin ich eindeutig kein Fan von Idyllen.
    An der Ecke von Hawthorne und Beech sah ich erste Anzeichen menschlichen Lebens in Form von Autos auf ihrer morgendlichen Fahrt zur Arbeit. Ich streckte einen Daumen in die Luft und packte mit der anderen Hand einen Kaugummi aus, um das Zähneputzen zu ersetzen.
    Ein roter Toyota 4Runner hielt am Bordstein, und das Fenster glitt mit leisem Summen herunter. Marcie Millar saß hinter dem Steuer. »Probleme mit dem Wagen?«, fragte
sie. Wenn das bedeutete, dass ich keinen hatte, ja. Aber das würde ich Marcie gegenüber nicht zugeben.
    »Soll ich dich mitnehmen?«, fragte sie ungeduldig, als ich nicht antwortete.
    Es war nicht zu fassen. Wieso musste von allen Autos, die hier entlangfuhren, ausgerechnet Marcie anhalten? Wollte ich bei ihr mitfahren? Nein. War ich immer noch wütend, wegen ihrer Bemerkung über meinen Vater? Ja. Würde ich ihr vergeben? Eindeutig nein. Ich hätte sie gern weitergewinkt, doch die Sache hatte einen kleinen Haken. Es ging das Gerücht um, dass Mr. Loucks nur eines noch mehr liebte als sein Periodensystem: zu spät kommende Schüler nachsitzen zu lassen.
    »Danke«, nahm ich zögernd an. »Ich bin auf dem Weg zur Schule.«
    »Deine fette Freundin konnte dich wohl nicht mitnehmen. «
    Ich erstarrte mit der Hand an der Autotür. Vee und ich hatten schon vor langer Zeit aufgegeben, engstirnigen Leuten beibringen zu wollen, dass »fett« und »kurvenreich« nicht dasselbe ist, aber das bedeutete nicht, dass wir diese Ignoranz tolerierten. Tatsächlich hätte ich Vee gerne angerufen, damit sie mich mitnahm, aber sie war eingeladen worden, für das eZine auf ein Treffen für Zeitungsherausgeber in spe zu gehen und war längst in der Schule.
    »Wenn ich so drüber nachdenke, geh ich doch lieber zu Fuß, glaub ich.« Ich gab Marcies Tür einen Stoß, dass sie wieder zufiel.
    Marcie machte ein verwirrtes Gesicht. »Bist du beleidigt, weil ich sie fett genannt habe? Aber das stimmt doch. Was ist nur los mit dir? Ich komm mir schon vor, als müsste ich alles, was ich zu dir sage, erst zensieren. Erst dein Vater, jetzt das hier. Was ist mit der Meinungsfreiheit?«

    Einen Augenblick lang dachte ich daran, wie schön und bequem es doch wäre, wenn ich den Spider noch hätte. Ich müsste dann nicht nur nicht per Anhalter fahren, sondern ich könnte mir außerdem noch das Vergnügen gönnen, Marcie zu rammen. Nach Schulschluss ging es oft chaotisch zu auf dem Schulparkplatz. Ab und zu passierten Unfälle.
    Da ich aber Marcie keine Extrabehandlung mit meiner Kühlerhaube geben konnte, tat ich das Nächstbeste. »Wenn mein Vater der Besitzer der Toyota-Vertretung wäre, dann wäre ich wenigstens so umweltbewusst, dass ich ihn um einen Hybrid bitte.«
    »Aber dein Vater ist nicht der Besitzer der Toyota-Vertretung. «
    »Richtig. Mein Vater ist tot.«
    Sie zuckte die Schultern. »Das hast du gesagt.«
    »Von jetzt an, glaube ich, ist es besser, wenn wir uns aus dem Weg gehen.«
    Sie besah sich ihre manikürten Nägel. »Prima.«
    »Gut.«
    »Da will man mal nett sein, und sieh nur, was es einem bringt«, sagte sie leise.
    »Nett? Du hast Vee fett genannt.«
    »Ich habe dir angeboten, dich mitzunehmen.« Sie gab Gas, und ihre Reifen wirbelten Straßenstaub auf, der in meine Richtung wehte.
    Ich hatte heute Morgen nicht vorgehabt, nach noch einem Grund zu suchen, weshalb ich Marcie Millar hasste, aber bitte, da war er.
     
    Die Coldwater High war im späten neunzehnten Jahrhundert erbaut worden, und der Baustil war eine so ausgesuchte Mischung aus gotischem und viktorianischem Stil, dass die Schule mehr nach Kathedrale als nach Wissenschaft aussah.
Die Bogenfenster waren schmal und mit Blei eingefasst. Der Stein vielfarbig, aber hauptsächlich grau. Im Sommer rankte Efeu die Außenwände hoch und verlieh der Schule einen gewissen New-England-Reiz. Im Winter sah der Efeu aus wie lange knochige Finger, die das Gebäude erstickten.
    Ich ging schnell, lief fast durch den Flur zur Chemieklasse, als das Handy in meiner Tasche klingelte.
    »Mom?«, antwortete ich, ohne langsamer zu werden. »Kann ich dich zurückr…«
    »Rate mal, wen ich gestern Abend getroffen habe! Lynn Parnell. Du erinnerst dich doch an die Parnells. Scotts Mutter. «
    Ich schielte auf die Uhr auf meinem Handy. Ich hatte Glück gehabt: Eine wildfremde Frau hatte mich mitgenommen, die auf dem Weg zum Kickboxen im Fitness-Studio war, aber ich war immer noch reichlich spät dran.
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