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Bis bald, Sharma!

Bis bald, Sharma!

Titel: Bis bald, Sharma!
Autoren: Marlies Bhullar
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an? Lass mich frei und ich komme von selbst zu dir! Bitte lass mich frei, lasse mich los. Wenn du von mir forderst, dann kann ich dir nicht geben, was du brauchst! Warte ab, was ich dir von selbst gebe - du wirst sehen, ich werde dich mit Liebe überschütten! Aber lass mich los!!“, erklärte er mir mit ernstem Gesicht und nahm meine Hand.
    Ich schämte mich.
    „Du hast so recht, ich weiß, dass es stimmt, was du sagst, aber in Momenten des Streites kann ich nicht vernünftig denken und reagiere wie ein trotziges, kleines Kind, das nur eines will: Geliebt werden! Verstehst du das denn nicht?“
    Dann umarmten wir uns, liebkosten und küssten uns wie Verrückte und alles war im Nu wieder vergessen. Bis zum nächsten Streit!
     
    An einem anderen Tag gingen wir zusammen in die Stadt. Es war ein sonniger Tag und ich freute mich irrsinnig darauf, mit ihm zu bummeln und anschließend Essen zu gehen. Er kaufte in einem Laden eine Kleinigkeit ein - ich glaube, es war eine Kappe - und als wir an die Kasse kamen, sagte er, dass ich bezahlen solle, er würde mir das Geld später wieder zurückgeben. Es waren wirklich nur Cent-Be träge und ich wollte, dass er das selbst bezahlte. Aber er stellte sich total quer und sagte, ich solle das bezahlen. Ich stellte mich genauso stur und bezahlte auch nicht. So war er gezwungen, seine zehn Euro aus der Tasche zu ziehen und zu bezahlen. Wütend steckte er die paar Sachen in die hauchdünne Plastiktüte und drückte sie mir in die Hand.
    „Warum trägst DU nicht deine eigenen Sachen!“, be schwerte ich mich missgelaunt und drückte ihm die Plastiktüte wieder in die Hand.
    „Nein, die trage ich nicht!! Wenn du sie nicht trägst, gehe ich sofort heim!“, wütete er und schickte sich an, heimzuge hen.
    Weil ich nicht allein in der Stadt herumlaufen und den freien Tag mit ihm verbringen wollte, nahm ich wohl oder übel die Tüte wieder zurück, aber ich ärgerte mich furchtbar über sein blödes Verhalten.
    „Aus welchem Grund willst du die Tasche eigentlich nicht tragen, wenn ich fragen darf?“
    „Weil die durchsichtig ist und jeder sehen kann, was ich grad eingekauft habe. Außerdem schäme ich mich, mit so einer lumpigen Tasche in der Stadt rumzulaufen!“
    Ich war sprachlos, was für spießigen Gedanken mein zutiefst geliebter Traumprinz führte. Und ich war absolut enttäuscht von ihm. Ich machte schweren Herzens gute Miene zum bösen Spiel und trottete mit der billigen Plastiktasche lustlos neben ihm her. Er würdigte mich keines Blickes, obwohl ich seine armselige Tasche trug. Da ich aber innerlich so gut gelaunt war und ich den Tag nicht verderben wollte, umarmte ich ihn plötzlich und sagte, dass wir uns wegen so einem Blödsinn wirklich nicht streiten müssten. Er ließ sich erweichen und nahm meine Hand. Die Situation war gerettet. Später bemerkte Sharma dann, dass das Restgeld, das er einfach in die luftige Tüte getan hatte, verschwunden war. Es hatte sich aus einem kleinen Loch in der Tüte aus dem Staub gemacht. Selber schuld, Sharma!
    Eigentlich stritten wir uns n ur wegen simpler Kleinigkeiten. Unsere lang ersehnte Freiheit stieg uns einfach zu Kopf. Es war wirklich nicht einfach, mit ihr umzugehen. So lange hatten wir unsere Bedürfnisse zurückgehalten, dass wir schon gar nicht mehr wussten, was wirkliche Freiheit war. Wir mussten erst wieder lernen, die Freiheit anzunehmen und sie richtig zu nutzen. Das ist, als ob man schon lange nichts mehr gegessen hat und plötzlich türmen sich vor einem riesige Sahnetorten und andere leckere Dinge. Würde man das alles auf einmal essen, würde man Magenschmerzen bekommen.
    Mein lieber Mann wollte alles auf einmal haben. Er wollte den Führerschein machen, schnell eine Arbeit mit möglichst guten Verdienstaussichten finden, eine Deutschschule besu chen, ein Restaurant eröffnen, seinen Landbesitz, sein Erbe und auch seine Kinder aus Indien nach Deutschland holen, Urlaub machen, in eine andere Wohnung umziehen, den Garten anbauen, Sport treiben, abnehmen (obwohl er kein Übergewicht hat!) und am liebsten seine dunkle Hautfarbe ändern inklusive seiner vorstehenden (allerliebsten) Schneidezähne. Er war wirklich ein Verrückter! Ein allerliebster Verrückter! Über allem aber schwebte seine Liebe zu mir. Er wusste gar nicht, wie er sie mir richtig zeigen konnte.
    Ende April fuhren wir ein letztes Mal nach Salzburg, weil Sharma Fahrstunden und seinen Führerschein machen wollte. Er hatte zwar schon einen indischen
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