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Bis bald, Sharma!

Bis bald, Sharma!

Titel: Bis bald, Sharma!
Autoren: Marlies Bhullar
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heimlich und beobachteten das Haus seiner Mutter. Jedes Auto, das ankam, wurde kontrolliert. Sogar alte Reifenspuren! Ein Sikh fragte Sharmas Bruder, warum im Garten des Hauses seiner Mutter Obstbäume angepflanzt seien - da sei doch jemand hier, der das Obst erntete. Lachhaft! Einige fremde Leute im Dorf sagten, sie hätten Sharmas Frau gesehen, wieder andere sagten, er sei gestorben. Andere Bauern, die im Dorf befragt wurden, sagten aus, ja, Sharma sei verheiratet, aber er sei in Europa. Ein Riesendurcheinander! Warum fragten diese Vertrauensanwälte nicht einfach beim Gericht nach oder beim Bürgermeister des Dorfes? Sie hätten auch ganz einfach Sharmas Exfrau interviewen können. Warum machten sie es sich so umständlich?
    Als wir diese Nachricht hö rten, wurde uns angst und bange. Wir hatten Angst, dass diese Vertrauensanwälte nur das bestätigten, was die Deutsche Botschaft in Indien hören wollte. Dass Sharmas Papiere falsch waren! Sharma betete und betete und ich hörte nicht auf zu zittern.
    Mitte Februar rief mein Rechtsanwalt die Botschaft in Wien an, um zu erfahren, ob das Prüfungsergebnis schon angekommen war, aber d ie Antwort war ein kaltes Nein.
    Mein lieber Sharma schlurfte benommen und tra urig durch die große Wohnung, er kam sich wie ein eingesperrtes Tier vor. Er hatte ständig Zahnschmerzen und ich konnte ihm nicht helfen. Weil er keine Krankenversicherung hatte, konnte ich mit ihm auch nicht zum Zahnarzt gehen und wir schmierten fleißig Nelkenöl auf sein Zahnfleisch. Er wurde immer trübsinniger und depressiver und verlor an Schönheit. Ich munterte ihn auf, sooft ich konnte. Wir machten Spaß wie früher, schnitten Grimassen und alberten herum. Ich lernte jeden Tag mit ihm Deutsch. Er beherrschte es schon sehr gut. Nur eines konnte ich ihm beim besten Willen nicht beibringen: Dass vor Hauptwörtern bei Verneinung immer „KEIN“ steht und nicht „NICHT“, also, kein Geld… keine Arbeit… keine Frau. Ich erklärte ihm weiter, dass vor Verben und Adjektiven immer als Verneinung das Wort „NICHT“ steht. Also nicht essen… nicht arbeiten… nicht traurig. Manchmal wunderte ich mich, wie er ein Wort nur durch eine falsche Betonung völlig verunstalten konnte. Er sagte immer „Hottttl“ anstatt „Hotellll“ und „letzte“ verwechselte er konsequent mit „nächste“. Das führte zu Missverständnissen! Wenn er mir eine Geschichte erzählte, dann malte er sie so aus, dass sie zum Schluss so langweilig wurde, dass ich darüber fast einschlief. Manchmal verstand ich die Essenz seiner Geschichte nicht. Indische Geschichten... unverständlich!
    Manchmal stritten wir, dass die Fetzen flogen. Mein indi scher Traumprinz konnte manchmal richtig ausflippen. Einmal wollte ich dummerweise nicht, dass er auf seinem Handy anrief und er war so sauer, dass er das Handy mit solcher Wucht auf den Boden donnerte, dass nicht nur das Display erlosch und die Platinen starben, sondern auch noch der Akku in zwei Teile zerbrach. Das hatte bestimmt noch niemand geschafft! Eine Woche später kaufte ich ihm ein neues Handy. Das war meine Strafe!
     
    Ende Februar rief ich wieder bei der Botschaft an und Sharmas Papiere waren immer noch nicht da. Es schneite und schneite. Wir wurden total eingeschneit und konnten nicht mehr am Kanal spazieren gehen. Apathisch kuschelten wir uns zusammen und mein Traumprinz schlief wie ein kleines Baby an meiner Brust ein. Ich saß bewegungslos da und wartete, bis er wieder aufwachte oder ich pulte mich von ihm weg und ging selbst schlafen.
     
     
     
     
     
     
     
    Endlich Visum!
     
    Das Unglaubliche, worauf wir fast ein Jahr gewartet hatten, wurde wahr! Anfang März 2006 rief mich ein Beamter der Ausländerbehörde an und teilte mir mit, dass nun Sharmas Papiere angekommen seien. Ich hielt den Atem an und sagte kein Wort. Ich hörte den Beamten sagen, dass alle fünf Dokumente, alle, die wir eingereicht hatten, in Indien kontrolliert worden und alle absolut in Ordnung waren. Sharma war also wirklich geschieden! Ich brach vor Freude förmlich zusammen. Ich sagte noch immer kein Wort. Ich fing an zu weinen und stotterte, dass ich es nicht fassen könne, dass nun endlich alles vorbei sei und ich vergewisserte mich immer und immer wieder, ob auch wirklich alles in Ordnung sei und der Beamte bestätigte mir dies immer wieder. Ich bedankte mich tausendmal und schluchzte dazwischen. Eine kleine Hürde hatten wir noch zu überwinden. Die Ehegattenbefragung! Dies war ein Test
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