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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Vladimir Ulrich
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Hinweis auf die noch nicht erfüllte Kilometerleistung und fuhr davon. Die Leistung, natürlich, was sonst, und ganz abartige rotschwarze Gummihosen mit ausgestopften Hi n tern trugen sie auch. Nachdenklich sah ich ihnen nach, bis sie mit der Lan d schaft verschmolzen. Den Rest des Weges zum Kloster Andechs ging ich ganz leicht und beschwingt. Ich wußte ganz bestimmt, daß ich nicht allein und verla s sen auf der Welt bin. Alles wegen eines Steckens.
    Nun aber lief ich vor einem Gewitter her, daß urplötzlich gleich aus zwei Ric h tungen nahte. Diese Gewitter kannte ich zur Genüge. Unter den Seglern auf den bayerischen Seen sind sie berühmt berüchtigt. Das Radio sendet Warnungen, und jedesmal liegen danach Boote angespült am Ufer. Trotz zentimeterdicker Ketten und tonnenschwerer Ankersteinen. Es gibt gar Tote. Einmal, es war noch gar nicht lange her, hob eine Windböe nur vierzig Kilometer von hier eine kleine Rangierlok von den Schienen und schleuderte sie auf die Straße einer Fußgäng e rin auf den Kopf. Wie hoch mag die Chance sein, von einer fallenden Lok e r schlagen zu werden? Ich kann mich in so einem Sturm auf dem Boot noch in die Koje legen und schlafen. Oder lesen und Tee trinken. Trotzdem fürchte ich mich vor dem Sturm. Einmal schloß ich eine Schublade mit allerhand schwerem Werkzeug und Ersatzteilen nicht richtig. Im Bruchteil einer Sekunde schleuderte sie ein Wellenschlag heraus, und sie flog wie ein Geschoß quer durch die Kab i ne, riß im Flug die Uhr von meinem Handgelenk und landete punktgenau auf der Teekanne aus Aluminium, die sie völlig platt drückte. Ein anderes Mal trieb ich ganz allein im Sturm auf dem See, und um mich herum schlugen Blitze wie H a gelkörner ein. In der Naturgewalt erkennt der Mensch die Macht Gottes. Er ist ihr machtlos ausgeliefert. Mit Besorgnis beobachtete ich die zwei Wolkenheere, die heftig gegeneinander stürmten, und kalkulierte die verbleibende Zeit. Die Stadtausflügler aber blieben unbeeindruckt: „Notfalls stellen wir uns irgendwo unter, wird ja wohl nicht lange dauern.“ Dabei ist der Münchner fast schon g e nauso vorwitzig wie der Berliner oder der Wiener und sagt: „Der Blitz soll ihn beim Scheißen treffen!“ So etwas kann ich mir echt mühelos bildlich vorstellen.
    Kloster Andechs empfing mich kühl sachlich. Trotz des telefonischen Engelsg e sangs der befreundeten Patres, die mich vorangekündigten. Pilger sind hier nichts Besonderes, Andechs selbst ist ein wichtiges historisches Pilgerziel, an den Pilgern ist es reich geworden. Nach einigem Warten im Hof unter den Bli c ken aufgekratzter Touristen führte mich ein Pater in das Pilgerasyl. Ein sauberes Zimmer mit Frühstück, doch ohne Abendessen. Das gäbe es zum üblichen To u ristennepp unten in der lärmenden Wirtschaft direkt unter dem Fenster. Das Haus lebt ja davon, kann sogar ein Kloster in München erhalten. Einige Zeit überschlugen sich die Medien vor Lob und Neid über die glänzenden Geschäfte und die Üppigkeit der Andechser Mönche, bis man den himmelhochwachsenden Baum etwas stutzte. Die Vesper mitbeten durfte ich immerhin. Ich freute mich auf eine gesungene lateinische Vesper, es wäre ein würdiger Abschluß dieses denkwürdigen Tages gewesen. Aber mit mir zusammen waren wir nur zu dritt, einer kam später nach. Blitzschnell und tonlos wurde die deutsche Vesper aus dem Brevier heruntergerasselt. Danach wurde ich rasch und freundlich vor die Tür gebracht. Ich stöberte durch das Quartier und fand im Erdgeschoß eine ne t te, gepflegte Mensa. Eine Köchin hielt mich für einen osteuropäischen Priester, der auf der Liste der speisenden Gäste stand, drückte mir einen Teller Leberkäse mit Kartoffelsalat und eine Flasche Mineralwasser in die Hand. Ich klärte den Irrtum auf, aber sie winkte nur ab: „Es bleibt ja sonst nur übrig.“ So legte ich mich satt und sauber in das frisch bezogene Bett und schlief den Schlaf der g e rechten Pilger.
Wessobrunn, km 207
    Zum Morgengebet um sieben Uhr stand ich schon wieder an der Pforte. Ich wa r tete vergeblich, wie es schien. Erst als ich schon wieder gehen wollte, tat sie sich auf. „Husch, husch,“ meinte der Gastpater, „Sie sind zu spät.“ Und rauschte d a von. Offenbar erwartete er keine Antwort. In der Kapelle standen alle geduldig leidend, bis ich umständlich auf den mir zugewiesenen Platz geführt und in ör t liche liturgische Eigenarten eingewiesen wurde. Und nach Laudes und Matutin, diesmal ordentlich gebetet, ging
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