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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Vladimir Ulrich
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„Macht nichts, jetzt kriegt er erst mal eine satte Strafe...“ Dem Wort „Strafe“ war dabei ein gewisser Genuß anzumerken. Aber natürlich habe ich keine Strafe bekommen und weiter von der Sache nichts g e hört. Die Grundstücke mögen privat sein, doch der See ist für alle da, und der Arm der Kirche vielleicht etwas kürzer geworden. Und möglicherweise leide ich nur am Verfolgungswahn. Trotzdem fühlte ich mich im Hinblick auf die Tutzi n ger Schwestern ein wenig unsicher.
    Dessen ungeachtet marschierte ich munter einen bewaldeten Bergrücken en t lang. Blumenwiesen ringsum. Ich und die Natur nur unter uns. Beide standen wir noch hoch im Saft und fühlten uns großartig. Alles sah frisch und sauber aus und roch auch so. Ich ließ es mir gutgehen und lobte Gott: „Herr, all das hast du mit Sinn und Schönheit erschaffen. Es ist dir wirklich gut gelungen. Keiner hätte es besser machen können. Ich sehe dich in deinen Werken. Du bist mit Hoheit und Pracht bekleidet. Du hüllst dich in Licht wie in ein Kleid, du spannst den Himmel aus wie ein Zelt. Und das läßt du mich sehen, hier und da, als G e schenk.“
    Ich kam mir dabei nicht einmal merkwürdig vor. Denn irgendwo unterwegs fing ich an, wie ein Don Camillo mit dem Herrn zu reden. Zwar antwortete er nicht, das wäre vielleicht zu viel erwartet und hätte mich bestimmt stolpern lassen, aber ich spürte seine Nähe. Er gab mir Fingerzeige. Wußte ich den Weg nicht mehr sicher, so bat ich: „Herr, gib Zeichen!“ Päng! Da kam es. Auf dem Weg vor einer schönen weiten Aussicht stand ein vornehm aussehendes älteres Paar mit einem hübschen Foxterrier und wünschte mir ehrlich erfreut gute Reise nach Santiago. Sie sahen aus, als ob ihnen die ganze Gegend gehören würde und wußten auch den Weg weit, weit zu schildern. Der Hund schien dabei jedesmal billigend mit dem Kopf zu nicken. Auch er kannte sich aus. Als die Rede auf e i ne nahe Waldkapelle kam, drehte er sich gar übermütig im Kreis und sprang hoch. Ich hatte als kleiner Junge einmal einen Fox und fühlte mit ihm. Ich ve r sprach, für sie zu beten. Das machte alle irgendwie weich. Doch wie sollte ich mir all die lieben Menschen, die mir unterwegs Gutes erwiesen, merken und nicht vergessen? Ich stand doch erst am Anfang, und sie waren schon etliche.
    Natürlich ist es nur recht und billig zu erwidern, es sei nichts Ungewöhnliches, im Wald einen Wegweiser an einem Baum oder ein vornehm aussehendes ält e res Ehepaar mit einem Hund zu finden. Beide kommen je nach Ort und Zeit g e wissermaßen häufig genug vor. Und doch kam es auf den Tausenden von Kil o metern über Berg und Tal nur zweimal vor, daß ich mich verirrte und auf A b wege geriet. „Herr, gib ein Zeichen!“ Es schlug nie fehl - was den Weg betraf und was immer ich an dringenden Wünschen hatte. Es war verblüffend und ein wenig beunruhigend. Aber der Mensch gewöhnt sich bekanntlich an alles, und schon bald rechnete ich ziemlich fest mit Gottes Fügung. Zum Beispiel, als u n terwegs meine lange Hose immer mehr Risse bekam, zweifelte ich keinen A u geblick, daß bald von irgendwoher eine Ersatzhose auftauchen wird. Die Tage vergingen, sie tat es nicht. Auch dann nicht, als ich wie ein Schotte mit blauen Knien und vor Kälte zitternd im kurzen Beinkleid durchs Regen dahinzog. Die Shorts bekam ich immerhin in Moissac geschenkt, aber die bitter benötigte lange Hose kam einfach nicht. Eines Tages stand ich dann am Fenster des Priesters e minars in Santiago, um vor der Abreise einen letzten Blick auf das herrliche Stadtpanorama zu werfen und redete wieder mit dem Herrn: „Herr,“ sagte ich, „du hat mich hierher geführt, du hast mich bewahrt, behütet, mit Wundern g e segnet und reich beschenkt...“ So ging es eine ganze Weile. Dann konnte ich mir es aber irgendwie doch nicht verbeißen: „Nur die Hose, du weiß Herr, die lange Hose, um die ich dich oft bat, wenn es mich fror, die hast du mir nicht g e geben. Warum, das weißt nur du, ich aber hätte sie bitter nötig gehabt. Doch macht nichts, man kann nicht alles haben, dein Wille geschehe.“ Und weil es an der Zeit war, riß ich mich vom Fenster los, um zu gehen. Und wie ich an der K i ste vorbeiging, wo Pilger das, was sie nicht mehr benötigen, für andere zurüc k lassen, da schaute ich aus alter Gewohnheit hinein, und was sah ich? Eine n a gelneue, nie getragene Schlechtwetterhose ganz obendrein. Genau solche, auf die ich die ganze Zeit vergeblich hoffte. Es war auch genau
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