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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt
Autoren: Vladimir Ulrich
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blamieren, das stand fest. So konnte ich mich nur freundlich bedanken. Als ich mich nach ein paar Schritten umsah, sahen sie immer noch auf dem Kabäuschen, baumelten mit den Beinen und sahen mir lächelnd nach.
    Ich kam nicht weit. Schon nach ein paar weiteren Schritten stand plötzlich ein Auto mit laufendem Motor da. Auch da bin ich gerade vorbei gekommen. Ein Auto sah ich nicht und hörte auch keines kommen. Aber was soll’s, Hauptsache, es war da. Ich sah hinein. Ein sympathischer Junge saß darin und las in der Karte. Er wolle nach Neumarkt zu einer Feier, erzählte er mir. Da meinte ich unschuldig, da könne er doch über Regensburg auch fahren und mich mitnehmen. Dabei war ich mir aber nicht ganz sicher, ob ich um diese Zeit, an diese Stelle jemanden wie mich auch wirklich ins Auto lassen würde. Auch stellte sich später heraus, daß man nach Neumarkt über Regensburg glatte siebzig Kilometer extra fahren muß. Es wäre mehr als gerecht, hätte mich der Junge freundlich doch bestimmt dort einfach stehen lassen. Aber er bat mich hinein und half mir noch mit dem Gepäck. Um sicher zu sein, drehte ich mich noch einmal nach den drei Engeln um. Doch das Kabäuschen stand leer und verstaubt da. Keine Engel. Mission erfüllt, Engel ausgeflogen. Der Fahrer behauptete, niemanden gesehen zu haben. Schließlich sei der Platz um diese Stunde wirklich menschenleer. Also erzählte ich ihm von der Pilgerschaft, und wie der Herr mitgegangen, mit dem Gewitter geflogen, mit Blitzen geworfen, wie er auf mich aufgepaßt und mir allerlei Gutes getan habe, was den aufrechten Jungen sehr entzückte und erstaunte. Und er wollte mir glauben, obwohl ich nicht vergaß zu erwähnen, niemanden, der mich für etwas verräumt halten würde, wegen der gesunden Menschenskepsis ernsthaft böse sein zu können. Nicht, daß er denke, ich sei vielleicht auch noch gefährlich. Noch nie war der Mensch so mächtig wie heute. Er kann jetzt selbst Blitze schleudern, zwölf Satelliten weisen ihm stets den Weg, und er unterhält sich rund um die Welt mit einem Taschengerät. Verständlich, wenn ihm ein Cloudcomputing glaubhafter als der Herr in den Wolken scheint.
    Hätte ich gefragt, der Junge hätte mich gewiß bis zum Kloster gebracht. Aber ich wollte es nicht. Von der Autobahn war es nur einige Kilometer weit. Nicht gerade für die Oma, aber die paar Kilometer konnte ich noch laufen. Ohnehin war es mir sehr peinlich, als das mit dem Umweg nach Neumarkt herauskam. Ich ahnte es vorher wirklich nicht. Aber der Junge winkte nur ab. Das sei es ihm wert gewesen, und die Party wolle er jetzt sowieso sausen lassen, es sei ihm nicht mehr danach. Ich verließ ihn, wie ich ihn fand. Mit laufendem Motor im Auto sitzend und die Karte studierend. Ich bat den Herrn, ihn sicher nach Hause zu führen, während ich durch den Wald lief. Es war Vollmond, das Land lag hell im Silber gebadet unter dem sternenklaren Himmel, aber hier im tiefen Wald war es stockdunkel und etwas unheimlich. Doch ich lag gut in der Zeit. Hätte man mich mit dem Wagen vom Bus abgeholt, wäre ich kaum schneller da. Mich also nicht abzuholen, war eine realvernünftige Entscheidung, so etwas war wohl bei mir überflüssig. Soweit mußte ich allen Beteiligten recht geben. Hoffentlich dachte Pater Benedikt daran, die Küchenpforte offen zu lassen. Da müßte ich nicht vor der Tür bis zum Frühgebet warten. Ein Auto kam mit hoher Geschwindigkeit von hinten heran, erfaßte mich mit gleißenden Lichtkegeln, rauschte vorbei und blieb an der Kreuzung vor mir stehen. Ich rechnete nicht damit, daß man mich mitnehmen könnte. Noch nie nahm mich hier jemand mit, ob tags ob nachts. Das hier war eine realdenkende hartherzige Bauerngegend, hier sorgte jeder für sich, so gut er konnte. Das reichte dann auch gerade so eben. Aber der junge Bursche am Steuer des sportlichen Gefährts meinte, er habe gerade daran gedacht, wie nett es doch wäre, wenn er jemanden mitnehmen und eine gute Tat tun könnte. Um zwei Uhr nachts dachte er daran, woran denn sonst. Und er versicherte, er sei nicht betrunken. Er brachte mich zur Klosterpforte, die versperrt, dann um das Kloster herum auch noch zum Kücheneingang, der unversperrt war. Er wollte für alle Fälle noch warten, aber ich entließ ihn. Ehrlich gesagt, war mir so viel Fürsorge inzwischen fast zu viel. Lag da ein Sinn dahinter? Wollte mir der Herr etwas zeigen? Es war spät, ich war seit zwei vollen Tagen unterwegs. Ich wollte mich damit später
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