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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt
Autoren: Vladimir Ulrich
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große Licht an und ließen es danach brennen, damit die anderen auch etwas davon haben. Es war die letzte Nacht, und sie paßte voll und ganz zu Spanien und dem Camino Francés .
    Im allerletzten Augenblick stürmte Armin, der italo-australische Komiker, unseren Bus und machte sich freudig neben mir breit. Dem Aussehen nach kam er wohl direkt aus irgendeiner Diskothek. Er sah sehr abgekämpft und unausgeschlafen aus. Deshalb erbat er sich bei mir gleich etwas zum Frühstück und aß meine Reisevorräte mit großem Gusto. Ich gönnte es ihm, konnte mir aber nicht helfen, schnell nachzurechnen, um wieviel mehr ich bei den überteuerten Autobahnraststätten und Restaurants dafür werde ausgeben müssen. Dann aber schämte ich mich meiner kleinlichen Gedanken und schrieb es als eine letzte gute Tat der Pilgerschaft ab. Das gefiel dem Herrn bestimmt. Wir fuhren so eine ganze Weile, während ich mit einem Auge die Straße beäugte, in der Hoffnung, etwas Bekanntes zu entdecken, und mit dem anderen Ohr meinem Begleiter zuhörte, der sich lustig über die Tücken des Handels mit australischem Wein in Frankreich und das Radfahren in den Bergen vor Côte Azur ausließ. Dazu passend brach dann der Bus zusammen. Das heißt, er brach nicht einfach zusammen, nur die Tür ließ sich nicht mehr luftdicht schließen, was die Elektronik in Aufruhr brachte, die dann den Fahrer mit Horrormeldungen bombardierte. Es war ja ein deutscher Bus. Mit Ach und Weh konnten wir gerade noch eine kleine Stadt erreichen, wo man uns einfach dem Strom der Zeit überließ. Ich wäre da gewiß mit den anderen Deutschen sehr ärgerlich der spanischen Schlamperei wegen, nicht jedoch mit Armin. Er kannte sich bestens mit der südländischen Mentalität aus. „Laß uns doch lieber Mittagessen gehen,“ schlug er vor. Und die Freude über diese unerwartete Gelegenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich versuchte noch einzuwenden, der Bus könnte repariert werden und würde ohne uns weiterfahren, während wir zumindest bis zum Morgen ohne unser Gepäck auf die nächste Fuhre warten müßten. Aber Armin lachte nur über diese Naivität. Nie und nimmer würde man das Ding reparieren können oder uns gar ohne Vorwarnung hier sitzen lassen, sondern als erstes vor der Abfahrt das Restaurant inspizieren. So brachen wir auf und aßen auf Kosten von Armin ein fünfgängiges Menü und tranken dazu zwei Flaschen Wein. Es war die beste Autopanne, die ich je hatte. Außerdem auch noch die letzte warme Mahlzeit auf der fast vierzigstündigen Busreise. Als wir dann guter Dinge und bester Laune wieder am Bus ankamen, war da keiner. Mit dem Bus verschwanden alle Piefkes, die mitreisenden Südländer jedoch waren vollzählig vorhanden. Bald werde ein anderer Bus kommen, hieß es, die Piefkes habe man, um sich nicht ihr Nörgeln anhören zu müssen, mit dem kaputten Bus weitergeschickt. „Na siehst du, was habe ich gesagt,“ strahlte Armin mit vollem Gesicht. Ich schlug, nun leichtsinnig geworden, vor, wieder zum Wein zurückzukehren, Armin jedoch winkte ab. Der Bus müsse schon wirklich jeden Augenblick kommen. Er hatte Recht, und ich wundere mich bis heute, welche hellseherische Fähigkeiten die Südländer wohl besitzen müssen, um in dieser Welt voller technischer Tücken zu überleben.
    Der zweite Bus kam, war allerdings einige Klassen weniger komfortabel als der erste und auch deutlich älter. Man könnte sagen, er hatte die beste Zeit hinter sich. Und mit der Wartung nahm man es wohl nicht so ernst, es fehlte das eine wie das andere, die Sicherheitsgurte, die man dank der Führsorge der Europaunion neuerdings im Busfernverkehr anlegen mußte, schlossen nicht. Da aber die Piefkes nicht da waren, störte es niemanden, weil niemand von den Südländern hier Lust hatte, wie ein Bernhardiner angebunden zu reisen. Viva la suerte! So erreichten wir mit nur einer Stunde Verspätung Burgos, wo wir eigentlich eine Stunde Rast hätten haben sollen, die jedoch wegen der Verspätung ausfiel, und wir statt dessen durch den riesigen Busbahnhof hin und her gejagt und — wie es mir schien — wahllos auf andere Busse verteilt wurden. Mit all dem daraus resultierenden Chaos. Zu diesem Zeitpunkt wußte wohl keiner der Passagiere mehr, wo sich sein Gepäck befände, oder gar er selbst hin transportiert würde. Später stellte sich heraus, daß die Busfahrer essen gegangen sind und das Gepäck im Bus versperrt ließen. Sogar der immer optimistische Armin kam hier zum Schluß, einen
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