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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim
Autoren: Cliffhanger
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sich die Augen ausheulte,
hinaus über die Klippe schaute, der gelbe Regenmantel, der im Wind flatterte,
ich, der ich auf sie zusprang, ohne nachzudenken. War mir irgendwas an ihr
aufgefallen, ihr Haar, ihre Beine, ihre Statur? Wenn ich recht überlegte, als
ich sie stieß, kam sie mir wie? vor, fester, als ich
erwartet hatte. Ich hatte sie nur am Rücken berührt, und nachdem sie weg war,
hatte ich nicht mehr drüber nachgedacht. Aber ja, ich hatte an den Schulterblättern
Muskeln gespürt. Audrey hat keine Muskeln. Audrey hat was, das an Hefeteig
erinnert.
    Sie kamen gut eine Stunde später wieder raus. Ted
schnappte gierig nach Luft, als würde er ertrinken. Vielleicht tat er das ja.
Iss war gefasster. Sie kam schnurstracks zum Wagen, stieg vorn ein und zündete
sich eine Zigarette an. Normalerweise erlaube ich das nicht. Rauchen ist im
Vanden Pias strikt verboten, aber ich sagte nichts. Zeit und Ort und so weiter.
    »Was hat er gesagt?«, fragte ich, fürchtete fast die Antwort.
Sie drehte sich halb im Sitz um.
    »Lass das jetzt mal. Raus mit der Sprache.«
    »Was denn?« Ehe sie antworten konnte, öffnete Ted die
hintere Tür und stieg ein. Er war kurzatmig. Die Sache ging ihm an die Nieren.
    »Was hat er gesagt?«, wiederholte ich. »Irgendwas Nützliches?«
    Ted putzte sich die Nase, stopfte das Taschentuch in mein
Seitenfach. Das passte mir ganz und gar nicht. Seine Tochter mochte ja
verschwunden sein, aber das gab ihm noch lange nicht das Recht, den Wagen mit
Rotzfahnen vollzumüllen.
    »Er kommt am späten Nachmittag rüber. Nimmt ein paar
Aussagen auf, macht ein paar Befragungen. Die wollen sich auch am Bahnhof von
Wool umhören, ob jemand sie da gesehen hat.«
    »Das ist gut. Was ist mit dem Stützpunkt, der NAAFI?«
    »Das ist eigentlich nicht sein Revier. Ganz oben auf der
Liste steht dieses Schwein Kim. Wenn er ihr irgendwas getan hat...«
    Ich versuchte, ihn zu beruhigen.
    »Ted, ehrlich gesagt, Kim verliert schnell die
Beherrschung, ja, aber er hat sich noch nie an einer Frau vergriffen.«
    »Es gibt immer ein erstes Mal.« Er tippte mir auf die
Schulter. »Kann sein, dass er auch mit dir sprechen will.«
    »Mit mir?«
    »Ja, und mit Audrey. Schließlich wohnt ihr nebenan.«
    »Stimmt. Ja. Klar.«
    Wir fuhren schweigend zurück. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken.
Okay, Audrey war es nicht, die ich von der Klippe gestoßen hatte. Sondern
jemand anderer. Und Miranda wurde vermisst. Das alles musste ich so gut ich
konnte auf die Reihe kriegen. Aber da war noch eine Frage, die ich mir bisher
nicht gestellt hatte. Wenn Audrey nicht zum Kliff gegangen war, wohin dann?
Was hatte sie gemacht, dass sie mit klatschnassen Haaren zurückkam und diesem
Grinsen im Gesicht und scharf war wie Nachbars Lumpi?
    Zurück im Dorf, wollte Iris, dass ich Ted absetzte und sie
dann nach Hause brachte, aber Ted bestand darauf, dass sie mit zu ihm reinkam.
Er wollte nicht allein sein, das arme Schwein. Sie kramte in ihrer Handtasche
herum, und als sie ausstieg, beugte sie sich zu mir rüber und gab mir einen
Kuss auf die Wange. Nicht ganz wie in alten Zeiten, aber es weckte
Erinnerungen, sie auf den Knien und halb aus dem Sitz.
    »Irgendwas hat sich mir in den Rücken gebohrt«, sagte sie.
»Hat sich angefühlt wie einer von diesen Taschenschirmen oder so.«
    Als sie gegangen waren, tastete ich mit der Hand. Ich fand
eine Packung Zigaretten, auf der vorne drauf etwas gekritzelt war.
    »5.00 MN. Cam-P.« MN stand für morgen Nachmittag. Cam-P
stand für den Campingplatz, wo Iss und ich uns immer getroffen hatten, vor all
den Jahren. So viel zum Thema Tatort.
     
    Ich fuhr zurück. Audrey saß am Küchentisch und schälte
Zwiebeln, neben sich ein Glas Whisky.
    »Ist es nicht ein bisschen früh dafür?«, sagte ich.
    »Je länger sie kocht, desto besser schmeckt sie«, sagte
sie.
    »Ich hab nicht die Suppe gemeint, Audrey.«
    »Ich weiß, was du gemeint hast.« Sie strich die Zwiebeln
mit der Hand in einen Topf und blickte mich aus leicht geröteten Augen an. Es
war nicht ihr erster. »Und, wie ging's ihm?«
    »Naja, sein Rücken ist besser geworden, aber ihm ging's
nicht gut. Miranda ist verschwunden. Ist gestern Nachmittag spazieren gegangen
und nicht zurückgekommen. Er ist ganz krank vor Sorge.«
    »Vielleicht ist sie ja endlich durchgeknallt.« Sie nahm einen
zufriedenen Schluck Whisky und ging ins Wohnzimmer.
    »Das Komische ist«, rief ich ihr nach, »sie ist zur selben
Zeit nach draußen gegangen wie du, gegen vier. Hatte
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