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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp
Autoren: Martin Wehrle
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erobern? An der Globalisierung! Woran liegt es, dass der moderne Mitarbeiter für zwei arbeiten muss, auch wenn ihm nur halbe Sicherheit geboten wird, etwa durch einen befristeten Vertrag, wie ihn bereits jeder dritte Hochschulabsolvent in Kauf nehmen muss? [12] An der Globalisierung! Und woran liegt es tatsächlich, dass Chefs immer eine Ausrede haben, wenn sie Mitarbeiter ausbeuten? An der Globalisierung!
    Das Globalisierungs-Gejammer der Firmen ist das größte Märchen seit »Hänsel und Gretel«, nur dass diesmal keine Hexe in den Ofen geschoben wird, sondern Mitarbeiter verheizt werden. Immer länger, immer härter, immer billiger sollen sie arbeiten. Das verlangen nicht die Chefs, die guten – das »verlangt« die Globalisierung, die böse!
    Doch während sich die Mitarbeiter im Hamsterrad kaputtstrampeln, mit Niedriglöhnen durchschlagen und um ihre Jobs zittern, steigt in der Chefetage eine rauschende Globalisierungs-Party: Die Firmen machen so viel Geld wie nie zuvor, die Umsätze prasseln von allen Kontinenten in die Kasse. Der Anteil der deutschen Unternehmen an der weltweiten Industrieproduktion ist im letzten Jahrzehnt von 7,6 auf 8,1 Prozent geklettert, der Anteil an den weltweiten Exporten von 12,1 auf 14,3 Prozent. [13]
    Den Segen der Globalisierung, die höchsten Gewinne aller Zeiten, schaufeln die Firmen in die eigene Tasche. Den Fluch der Globalisierung, die gestiegene Arbeitslast, überlassen sie großzügig ihren Mitarbeitern – sprich jenen Restbeständen, die den Rotstift überlebt und jetzt für ihre geschassten Kollegen mitzuarbeiten haben.
    So süß die Flöte des Rattenfängers auch klingt: Was sie spielt, ist nicht die Wahrheit. Und wer ihr folgt, läuft in sein Verderben – nur dass der Berg, in den er geführt wird, diesmal ein Arbeitsberg ist.
    Hamsterrad-Regel: Wenn die Axt einen Baum fällt, ist der Baum nicht hart genug! Wenn die Arbeit einen Mitarbeiter fällt, ist der Mitarbeiter nicht belastbar genug!
    Deppen-Erlebnisse
    Wie ich nach Feierabend auf den Kopf fiel
    Der Unfall passierte, weil ich todmüde war: Statt auf den Stuhl, den ich hinter mir wähnte, setzte ich mich auf den Hosenboden. Das wäre lustig gewesen, doch mein Kopf schlug krachend auf den Boden des Büros. Direkt danach musste ich mich übergeben. Gehirnerschütterung! Eigentlich ein Arbeitsunfall, das Blöde war nur: Jetzt, um 20.30 Uhr, hätte ich schon längst nicht mehr in der Firma sein dürfen. Und ich war auch nicht mehr da, wenigstens nicht offiziell: Da unser Betriebsrat streng darauf achtete, dass niemand länger als zehn Stunden am Tag arbeitete, hatte unser Chef folgende Praxis eingeführt: Wir stempelten uns nach der regulären Arbeitszeit aus – um direkt wieder an unseren Arbeitsplatz zu eilen, als abwesende Anwesende. Diese Praxis war immer dann üblich, wenn der Arbeitsdruck hoch war. Und das traf auf zwei von drei Monaten zu, Tendenz steigend.
    Doch wie sollte ich einen Arbeitsunfall geltend machen, obwohl ich laut Stempelkarte gar nicht mehr in der Firma war? Mein Chef redete mit Engelszungen auf mich ein, ich sollte den Unfallort nach Hause verlegen, sonst bekäme er Ärger mit dem Betriebsrat. Ich ließ mich breitschlagen.
    Meine Frau war außer sich, dass der Unfall ausgerechnet dorthin verlegt wurde, wo ich mich unter der Woche nie vor den »Tagesthemen« hatte blicken lassen: in unsere Wohnung. Außerdem fragte sie: »Und was ist, wenn deine Krankenkasse herausbekommt, dass es in Wirklichkeit ein Arbeitsunfall war? Dann bleibst du am Ende auf den Behandlungskosten sitzen!«
    Wochenlang war ich von der Arbeit nicht pünktlich nach Hause gekommen. Aber nun, da ich mit meiner Gehirnerschütterung zehn Tage krankgeschrieben war, kam die Arbeit pünktlich zu mir ins Haus, per Mail: Mein Chef bat mich, auch während der Krankheit »mal einen Blick« auf diverse Vorgänge zu werden. Dieser »Blick« hat im Durchschnitt über acht Stunden gedauert.
    Am Ende wusste ich gar nicht, wovon mein Schädel brummte – ob von der Arbeit oder davon, dass ich auf den Kopf gefallen war. Aber wo lag eigentlich der Unterschied?
    Peer Anderson [14] , Analyst
    Wie ich im Lager meiner Firma übernachten musste
    Die Einbrecher kamen in der Nacht zum Freitag und räumten das Warenlager unseres Fachgeschäftes aus. Es war schon der zweite Einbruch in den letzten sechs Monaten. Der Bereichschef nahm mich zur Seite: »Frau Nester, es macht sich nicht gut, dass Ihre Filiale immer wieder durch Einbrüche
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