Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Billigflieger

Titel: Billigflieger
Autoren: Philip Tamm
Vom Netzwerk:
liegen, dass einfach kein Wind weht. Weshalb außer mir auch niemand auf die Idee kommt, es überhaupt zu probieren. Mein Segel hängt schlaff in meiner Hand, und ich dümpel mehr oder weniger bewegungslos auf den Wellen. Ein paar Kinder planschen um mich herum und grinsen mich mitleidig an. Vermutlich weil sie mich für einen Anfänger halten. Und ich selbst komme mir auch so vor. So macht Surfen jedenfalls keinen Spaß.
    Erschöpft bin ich trotzdem, als ich mich schließlich wieder neben Nina in den Sand fallen lasse. Es ist der letzte Tag auf Malle. Und es ist mein letzter Tag als Junggeselle. Morgen in aller Frühe werden wir in den Flieger steigen und nach Deutschland zurückkehren. Und nur drei Stunden später werden wir zum Standesamt fahren, das sich die Sonntagstrauung auch noch saftig bezahlen lässt. Dort werden wir unsere Unterschrift unter ein Dokument setzen, das die Leute immer noch - neben ihrer Geburtsurkunde und ihrem Totenschein - für das wichtigste Schriftstück ihres Lebens halten. Und das ist es wohl auch.

49. Womit ich leben kann
    Zum Abendessen gönnen wir uns etwas Besonderes. Es gibt eine Austernplatte als Vorspeise und gegrillten Hummer als Hauptgericht (was Hacki nicht davon abhält, zuvor einige Hamburger zu verdrücken, und zwar gemeinsam mit seiner Veronika). Dazu stoßen wir mit Prosecco an, diesmal allerdings nicht aus Dosen, sondern aus Gläsern.
    Nach dem Essen schlendern wir wie üblich durch Arenal, trinken hier und dort etwas, ohne dass einer von uns wirklich in Stimmung käme. Ich bin daher sofort einverstanden, als Nina noch vor Mitternacht vorschlägt, ins Hotel zurückzukehren und einfach ins Bett zu gehen. (Ist wohl ein kleiner Vorgeschmack aufs Eheleben. Die Spaßzeiten sind einfach vorbei.)
    Wir verabschieden uns von den anderen und machen uns Hand in Hand auf den Weg zurück zum Los Balearos . Und ungelogen, ich kann mich an keinen einzigen Moment in meinem Leben erinnern, an dem ich mich so einsam gefühlt habe wie jetzt. Ich halte meine Verlobte an der Hand, und ich werde mich gleich ausziehen und mit ihr ins Bett gehen. Aber geht es mir deshalb vielleicht gut? Nein, tut es nicht. Ich fühle mich stattdessen wie betäubt. Und mein einziger Wunsch ist, dass jetzt irgendetwas passiert. Irgendein Ereignis, das die Dinge noch einmal ändern könnte. Zum Beispiel ein Erdbeben, das urplötzlich eine klaffende Spalte im Boden aufreißt, in die Nina reinfällt. Oder ein defekter Satellit, der zufällig genau über ihrem Kopf abstürzt. Oder eine kleine Mafiaschießerei auf der Straße, bei der ein unglücklicher Querschläger ganz zufällig meine Verlobte erwischt …
    Aber so funktioniert das Leben nun einmal nicht. Die Dinge treiben einfach so dahin, und man kann nichts daran ändern.
    Ja, ich weiß schon, ihr müsst es nicht sagen: Ich bin doch ein Waschlappen. Und eigentlich sind alle Männer Waschlappen. Wir tun immer so, als wären wir diejenigen, die die Dinge in die Hand nehmen, die alles organisieren, managen, regeln. Dabei sind es - jedenfalls im Privatleben - in Wirklichkeit die Frauen, die den Gang der Dinge bestimmen. Wir Kerle dümpeln nur wie ein morsches Stück Holz auf den Wellen des Lebens und sehen tatenlos dabei zu, wohin die Strömung uns treibt. Und vor allem in die Arme welcher Frau. Nicht gerade etwas, worauf man stolz sein kann.
    Als Nina und ich in die Straße einbiegen, in der das Hotel liegt, bemerke ich unter den Leuten, die uns entgegenkommen, eine seltsame Unruhe. In Arenal ist das eigentlich nichts Ungewöhnliches. Es kann nämlich alles Mögliche bedeuten - von einem überraschenden Freibierangebot in der Schinkenstraße bis hin zu einem Spontan-Konzert von Jürgen Drews.
    Diesmal aber ist es irgendwie anders. Wie wenn ein Tsunami auf den Ort zurollt. Die Masse Menschen kommt mir vor wie ein Schwarm Heringe, in den ein Hai vorstößt. Die kleinen Fische wissen zwar nicht so recht, was vor sich geht, aber dennoch haben sie Angst und schwimmen aufgeregt in alle Richtungen.
    Ich will gerade auf eine Gruppe Kegelbrüder zugehen und einen von ihnen fragen, was denn passiert ist, als Nina mich energisch zurückzieht.
    »Ist doch egal, Jo. Lass uns einfach ins Hotel gehen und uns nicht drum kümmern.«
    »Sofort, Nina. Ich will mich nur mal eben erkundigen, was …«
    »Ach, jetzt komm schon …«
    In diesem Moment wird meine Frage ganz von selbst beantwortet. Denn auf einmal beginnen die Menschen zu rennen. Sie wedeln dabei wild mit den Armen und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher