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Bille und Zottel 09 - Im Sattel durch den Sommer

Bille und Zottel 09 - Im Sattel durch den Sommer

Titel: Bille und Zottel 09 - Im Sattel durch den Sommer
Autoren: Tina Caspari
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Krampf, der sich nicht lösen wollte. Nicht einmal das Weinen half.
    Mutsch und Onkel Paul schlichen auf Zehenspitzen durch das Zimmer, legten kühle Umschläge auf Billes Stirn, versuchten sie mit Lieblingsspeisen zu verwöhnen, redeten leise auf sie ein, erzählten von Zottel und Moischele, aber nichts konnte Bille aus ihrer verzweifelten Trauer reißen. Es war wie ein Hohn, daß sie den Wettkampf gewonnen hatte. Daß Lohengrin einen schönen Tod gehabt hatte, daß er gestorben war wie ein Held, tröstete sie nicht.
    Die Freunde kamen und standen hilflos und scheu um das Bett. Sie versuchten Fröhlichkeit zu verbreiten, erzählten von den Pferden, von der Arbeit — und verstummten schließlich angesichts der stummen Verzweiflung, die von Bille ausging.
    Auch Herr Tiedjen kam, nahm Billes Hand und sprach lange über sein Leben mit den Pferden und von der Notwendigkeit, von dem einen oder anderen Abschied zu nehmen: wenn sich sein Leben erfüllt hatte, nach einem schweren Sturz, einer Verletzung oder einfach nach einem beschwerdevollen Alter.
    Bille lächelte höflich, aber er sah ihr an, daß sie mit ihren Gedanken weit, weit weg war, wie in einem schalldichten Raum, in den keins seiner Worte eindringen konnte.
    Mutsch saß stumm und verzweifelt am Küchentisch und wußte sich nicht mehr zu helfen. Und Onkel Paul rannte wie ein Tiger im Käfig hin und her und fluchte leise vor sich hin. Der Arzt riet zur Geduld. Irgendwann würden die Lebensgeister schon wieder erwachen. Er verschrieb Pillen und Tropfen und hinterließ Krankenhausgeruch.
    „Ich gehe spazieren“, sagte Onkel Paul rauh . „Ich brauche dringend frische Luft.“
    „Ist gut. Ich kümmere mich erst mal um die Ponys. Vergiß nicht, Inge und Thorsten kommen nachher vorbei.“
    „Die werden auch nichts ausrichten können.“
    Onkel Paul lief mit hochgezogenen Schultern durch den hellen Sommerabend. Überall waren sie noch dabei, die Felder abzuernten. Man konnte nicht wissen, wie lange sich das gute
    Wetter halten würde...
    Die Leute grüßten und steckten hinter seinem Rücken die Köpfe zusammen. Die Geschichte hatte in allen Zeitungen gestanden und war seit Tagen das Hauptgesprächsthema im Dorf.
    Onkel Paul wollte allein sein. Er steuerte auf den Wald zu, schlug einen kleinen Seitenpfad ein und lief ziellos immer weiter geradeaus. Es tat gut, sich den ganzen Kummer von der Seele zu laufen. Onkel Paul schritt kräftiger aus.
    Ein Lichtschein drang durch die Bäume. Natürlich, die Waldschenke hatte ja wieder geöffnet. Sie hatte einen neuen Besitzer, er kannte ihn nicht. Das war gut so. Er hatte keine Lust, jetzt bekannte Gesichter um sich zu haben, ihre fragenden Blicke zu ertragen, ihre Trauermienen, wenn sie mit ihm sprachen, die Art, wie sie die Stimme senkten.
    Onkel Paul beschloß, ein Bier zu trinken. Unter den Bäumen war noch ein Tisch frei, er lag fast im Dunkeln. Das war ihm gerade recht. Niemand achtete auf ihn. An den anderen Tischen wurde gelacht und geredet, eine Gruppe junger Leute diskutierte heftig. Eines der Mädchen erinnerte ihn an Bille.
    Die Kellnerin kam und brachte sein Bier. Onkel Paul trank ein paar Schluck , dann zündete er sich eine Zigarette an. Das Mädchen, das wie Bille aussah, lehnte sich lachend zurück und streckte sich wohlig wie eine Katze. Bille. Wie elend sie geworden war in den paar Tagen! So blaß und abgemagert. Kein Funken Lebensfreude war mehr in dem sonst so strahlenden Gesicht! Warum hatte er sie nicht gehindert, an diesem Turnier teilzunehmen? Sie hätte sich leicht überreden lassen! Hatte doch ohnehin gejammert über die Hitze, und daß sie Kopfweh habe...
    Das Mädchen am Nebentisch legte ihren Kopf an die Schulter des jungen Mannes, der neben ihr saß. Wie zärtlich er sie ansah. Jetzt setzte er ihr das Glas an die Lippen.
    Onkel Paul trank sein Bier aus und stand entschlossen auf.
    Er ging in die Gaststube und sah sich nach der Kellnerin um.
    „Zahlen, bitte!“ sagte er. „Haben Sie hier ein Telefon? Ich muß ein paar dringende Gespräche führen“, fuhr er fort.
    „Orts- oder Ferngespräche?“
    „Beides.“
    „Dann gehen Sie am besten ins Büro vom Chef rüber. Letzte Tür links, im Gang hinten“, sagte die Kellnerin.
    Am nächsten Tag erlaubte der Arzt Bille aufzustehen, doch sie erklärte, sie sei zu müde. Man solle sie doch ganz einfach in Ruhe lassen, sie wolle schlafen. Mutsch ging, hilflos mit den Achseln zuckend, hinaus.
    Stundenlang lag Bille im Dunkeln. Manchmal fiel sie in
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