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Bille und Zottel 09 - Im Sattel durch den Sommer

Bille und Zottel 09 - Im Sattel durch den Sommer

Titel: Bille und Zottel 09 - Im Sattel durch den Sommer
Autoren: Tina Caspari
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Lippen.
    „Nun, ich will Sie nicht länger stören.“ Der alte Herr nickte Bille aufmunternd zu. „Viel Glück für Ihren weiteren Weg, mein Kind. Und auch dir, alter Knabe!“ Noch einmal tätschelte er Lohengrin den Hals. „Sehen Sie, wie er die Ohren spitzt! Der lebhafte Blick! Man könnte meinen, er verstünde genau, worum es geht. Wie ein Junger, nicht zu glauben! Na dann, leben Sie wohl!“
    Der alte Herr legte freundlich grüßend die Hand an den Hutrand und schritt von dannen.
    „Netter Kerl, nicht wahr?“
    „Du mußt aufsitzen“, mahnte Onkel Paul. „Sie winken schon, der Parcours ist fertig.“
    Zwei Hindernisse waren auf der nun verkürzten Strecke noch einmal erhöht worden. Bille blinzelte. Die Sonne stach wie mit spitzen Messern. Billes Kopf dröhnte. Reiß dich zusammen! sagte sie sich. Was Lohengrin schafft, schaffst du auch.
    Lohengrin war wirklich bewundernswert. Er tänzelte wie ein Jüngling und schnaubte ungeduldig. Mit weit aufgerissenen Augen überblickte er den Platz.
    Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich glauben, jemand hätte ihn gedopt, dachte Bille. Er ist wie im Rausch!
    Da, die Glocke! Mit weiten Sätzen ging Lohengrin davon, hoch wölbte sich sein Rücken über dem ersten Rick. Nun der Oxer, die Triplebarre ... Lohengrin streckte sich und flog mit einem weiten Satz hinüber. Schwer atmend ging er die Mauer an, setzte steil hinüber. Nicht das leiseste Klick, nicht einmal gestreift, das Gatter — gleich haben wir’s geschafft, Lieber! dachte Bille, und dann können sie uns alle mal! Lohengrin streckte sich im Galopp, als müsse er sich voll Luft pumpen, ehe er zum letzten Sprung ansetzte. Ein tiefes Stöhnen kam aus seiner Brust, als er sich abstieß und das Gatter überflog. Ein paar Galoppsprünge noch — es schien, als zittere er am ganzen Körper. Die letzten zwei Sprünge waren, als stolpere er ins Ziel. Das Publikum jubelte auf, kaum daß sie die Linie erreicht hatten.
    Noch einmal stöhnte Lohengrin auf. Die Vorderbeine sackten unter ihm weg, als wären sie gar nicht vorhanden. In hohem Bogen flog Bille ihm über den Kopf, der jetzt leblos zur Seite fiel, gefolgt von dem schweren Körper. Bille lag begraben unter ihrem Pferd, unfähig sich zu rühren. Lohengrin streckte sich noch einmal unter einem gewaltigen Erzittern, dann lag er still.
    Bille begriff nicht, was geschehen war. Ihr Kopf dröhnte und schmerzte, ihre Hände krampften sich in Lohengrins Fell, ohne daß sie sich dessen bewußt war. In Sekundenschnelle war sie umringt von Gesichtern, die riesengroß auf sie zukamen, verschwammen und wieder hinunterstießen wie eine Herde wilder Vögel mit unheimlich großen Augen. Im Hintergrund erklangen — wie fernes Meeresrauschen — die aufgeregten Stimmen des Publikums.
    „Er ist tot. Herzschlag“, drang eine klare Männerstimme in Billes Bewußtsein .

    „Vorsicht! Faßt das Mädchen nicht an, bevor die Krankenpfleger mit der Bahre da sind, vielleicht hat sie eine Wirbelverletzung...“
    „Ich habe nichts. Mir geht es gut“, hörte Bille sich sagen. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.

Die beste Medizin

    Bille hatte Glück. Sie war mit einer Gehirnerschütterung und einem verstauchten Handgelenk davongekommen. Ein paar Tage strenge Bettruhe, hieß es, dann ist alles wieder in Ordnung.
    Schlimmer war der Schock. Bille lag im verdunkelten Zimmer, und immer wieder von neuem rannen ihr die Tränen über das Gesicht. Sie war so erschöpft wie nie zuvor in ihrem Leben. Alles schien sinnlos geworden. Immer wieder durchlebte sie diese letzten Sekunden auf Lohengrins Rücken, seine gewaltige Anstrengung, das Stöhnen, das Zittern seines mächtigen Körpers, und dann dieses plötzliche Einknicken der Beine, den Sturz...
    Im Augenblick seines Todes war etwas Merkwürdiges mit ihr geschehen. Den schweren Pferdekörper auf ihrem eigenen — es war gewesen, als wenn sie mit ihm starb. Jedes Zucken, jedes Zittern hatte sich ihr mitgeteilt. Das schweißnasse Fell unter ihren Fingern, die Hitze — und dann die Kälte, die sie plötzlich überkam... Ganz nahe war der Tod gewesen, ganz begreiflich. Und als sie dann nichts mehr sehen, nichts mehr hören konnte, als ob sie in einem Berg grauer Watte versank — richtig wohltuend war das gewesen.
    Doch dann das Erwachen. Und das Wissen: Lohengrin ist tot. Ich werde ihn nie mehr reiten, nie mehr putzen, nie mehr mit ihm diese enge Freundschaft empfinden, wenn das Startzeichen ertönt...
    Der Schmerz saß in der Kehle wie ein
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