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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Autoren: Justinus Kerner
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ungleichen Wiesengrund, der zu den äußersten westlichen Hügeln oder vielmehr Felsen führt, von deren Gipfel herab die Zerstörung selbst in die Wogen des erzürnten Meeres sich zu stürzen scheint.
    Wir kletterten die Felsenabhänge hinab und besichtigten einen Gang, der ehemals gegraben wurde, weil man sich Hoffnung machte, hier Silber zu finden.
    Die Kullen sind an der Stelle, wo sie stehen, eine merkwürdige und frappante Erscheinung. Ringsumher plattes Land von neuerer Formation, teils Flözschichten, teils wohl auch aufgeschwemmtes Land, und aus ihm treten wie ein uraltes Denkmal die Granitfelsen, welche dieses Vorgebirge ausmachen, hervor. Die ganze Strecke, so weit wir Zeit hatten sie zu untersuchen, besonders die äußersten am meisten hervorspringenden Felsen, bestehen im Ganzen aus einem und demselben Granit, der nur in Rücksicht auf Grobheit oder Feinheit des Kornes einige Verschiedenheiten zeigt. Für den Botaniker blühen auf den
Kullen
einige Pflanzen, die mir selten schienen, selbst einige Alpenpflanzen. Immer aber wird das Interesse überwiegend bleiben, wodurch die Kullenfelsen sich dem Sohne der Natur empfehlen.
    Das ganze Felsenparadies gehört jetzt einem Quartiermeister von den eingeteilten Truppen, Namens
Briek,
der es mit seiner Frau erheiratete. Man hat ihm 10000 Riksdaler dafür geboten, allein er scheint keine große Lust zu haben, es für diesen Preis abzutreten. In der Tat könnten sich auch leicht Liebhaber finden, denen die doppelte Summe noch wohlfeil in Hinsicht der herrlichen Schöpfung scheinen möchte, die hier die Kunst hervorrufen wird, wenn dieser Erdpunkt einst in den Besitz eines Mannes von Vermögen und von Geschmack geraten sollte.
    Im Verlauf des vorigen Sommers war der König hier mit der Königin; er hatte seine Hofküche aus
Helsingborg
mitgebracht und fuhr auf der Felsenhöhe mit seinem Hofstaate in der Kutsche. Es war bei schönem hellem Wetter; wir trafen einen bessern, der ganzen Szene angemessenen Augenblick.
    Regengüsse schienen mit einer Sündflut zu drohen, der Wirbelwind jagte die Wogen der See zu Staub auf, und schäumend stürzte das tobende Meer über die untersten Felsen hin. Schwarzes Gewölk verfinsterte den Himmel, am westlichen Horizont allein waren noch lichte Streifen. In sie trat die untergehende Sonne, deren letzte Strahlen das furchtbare Schauspiel herrlich beleuchteten und einen Regenbogen bildeten, dessen eine Säule auf dem
Orisund
ruhte, und dessen andere aus der Nordsee empor stieg. Mitten inne lag die
Kulla
mit ihren romantischen Schönheiten. Von dem Feuerturme aus sahen wir diese majestätische Naturerscheinung. Immer wilder tobte der Sturm. Das hohe Gestirn verschwand, vollendet war die Nacht und unsere Herzen durchbebte ein Gefühl – der Zukunft. Briefe und Zeitungen hatten sich in meiner Abwesenheit angehäuft, ich verschlang jene und quälte mich mit diesen, die noch immer voll von Begebenheiten und einzelnen Zügen sind, welche auf jene drohende Zukunft hindeuten, wo ein Machtspruch über alle walten und das gleiche Schicksal keinen Trost übrig lassen wird, als etwa die für jede Memme erfreuliche Gemeinschaft der gleichen Schande. Oder darf man etwas besseres zu einer Zeit erwarten, wo jeder Morgen einen neuen Gewaltstreich, jeder Abend einen neuen Meineid aufweist? – Man sollte beinahe aufhören, sich über die Gleichgültigkeit zu wundern, in die seit dem Frieden die vorher in wirkliche Wut ausartende Begierde nach Neuigkeit sich verwandelt hat. Freilich, nachdem man so lange dem wilden Chaos der Begebenheiten nachgerennt ist, sich an Bataillenstücken, von Meistern und Stümpern mit gleich blutigem Pinsel gemält, zur Übersättigung ergötzt hat, ist es allerdings der gemächlichen Vernunft gemäß, daß man sich die Augen verbinde, um ein desto ungestörteres Pflanzenleben zu führen. – – – – – – – – So unvollkommen die äußere Physiognomie Schwedens ist, so unregelmäßig sie von den äußern Punkten aus erschien, auf denen ich verweilte, so bietet sie dennoch tausend einzelne Züge dar, die mit unwiderstehlicher Kraft an sich ziehen, Huldigung gebieten, oder Zuneigung in die Seele zaubern. Wenn jemals die Unruhen Europas sich erneuern, wenn in einigen südlichen Ländern der neue Koloß zu lästig werden sollte für den Mann von unabhängigem Nationalsinn, so rate ich denen, die das Joch des Eroberers nicht tragen, Europa nicht verlassen, und dennoch nicht auf selbständigkeitslosem Boden leben wollen,
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