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Bilder bluten nicht

Bilder bluten nicht

Titel: Bilder bluten nicht
Autoren: Léo Malet
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kommt hier vielleicht alle drei Stunden ein Auto vorbei; und eins mit einem Betrunkenen am Steuer vielleicht zweimal im Jahr. Nun, und dieser Monsieur Lheureux mußte ausgerechnet da rumstehen, als ein Auto vorbeikam, in dem ein besoffener Kerl saß. Diese Leute aus der Provinz, ehrlich! Ich glaub, die machen das extra.“
    „Ist es schlimm?“
    „Es hätte schlimmer kommen können. Der Wagen hätte zum Beispiel ins Schaufenster fahren können. Glücklicherweise ist das nicht passiert. Wirklich ein Wunder.“
    „Ich spreche von Lheureux.“
    „Äh... Ach, ja! M’sieur Lheureux, sicher... Auch ein Wunder. Ziemlich ramponiert, schätzungsweise, aber ich glaube nicht, daß es lebensgefährlich ist... Na ja, ich hoffe es...“
    Ich hoffte es auch. Und zwar, ohne mich zu sehr dazu zwingen zu müssen, aufrichtiger als der schläfrige Hotelknabe. „Hm... also, im Krankenhaus, sagen Sie...“
    „Ich habe die Polizei in der Rue des Bons-Enfants angerufen. Sie haben ihn mitgenommen
    Jetzt sprach er offensichtlich gereizt. Er hatte von der Geschichte die Nase voll.
    „...Sie mußten ihn wohl nicht ins Kittchen bringen, nehme ich an...“
    „Weiß man nie, bei denen“, sagte ich. „Gut. Also dann, gute Nacht.“
    Vom Bistro aus begab ich mich aufs Kommissariat in der Rue des Bons-Enfants. Hier waren sie immer noch etwas mißtrauisch, seitdem die Bombe von Emile Henry die Räume in die Luft gesprengt hatte und einem halben Dutzend der bewußten „lieben Kinder“ posthum vom Polizeipräsidenten ein Orden verliehen wurde. Aber ich brachte den Mut auf. Und da ich außer dem Mut nichts Verdächtiges in meinem Aussehen mitbrachte, verlief alles ohne Zwischenfälle. Ich nannte meinen Namen, benutzte anstelle des Passes meine Freundschaft zu Kommissar Florimond Faroux, sagte, ich sei ein Bekannter von Louis Lheureux und habe soeben von seinem Unfall gehört, usw. Die „lieben Kinder“ beruhigten mich. Lheureux hatte Schmerzen am Bein, aber sein Leben schien nicht in Gefahr zu sein. Für weitere Auskünfte wollen Sie sich bitte ans Zentralkrankenhaus wenden... Der Form halber ermunterte ich die Flics dazu, eifrig nach dem Rabauken zu suchen; dann haute ich ab. Ich fühlte mich zu müde für den weiten Weg in meine Wohnung. Die Büroräume meiner Detektei mit dem Sofa, das immer zur Verfügung steht, befanden sich nur ein paar Schritte entfernt, in der Rue des Petits-Champs. Dorthin ging ich. Ich rief im Zentralkrankenhaus an. Ohne übermäßige Schwierigkeiten erhielt ich Auskunft über den Verletzten. Sein Zustand gebe zu keinerlei Sorge Anlaß. In ein paar Tagen werde er wieder auf den Beinen sein. Ich bedankte mich, zog mich aus und schlüpfte zwischen die Laken. Kaum lag ich, schlief ich ein.
     

4
    In der Haut der andern
     
    Hélène, meine Sekretärin, weckte mich mit schallendem Gelächter, als sie um neun Uhr zum Dienst erschien.
    „Guten Morgen, Chef“, posaunte sie. „Na, Sie schlafen bis in die Puppen?“
    „Sieht so aus“, gähnte ich. „Guten Morgen, Hélène. Gibt’s keinen Kuß?“
    Sie lächelte:
    „Ich küsse nie Betrunkene... Hm... Kann man von Ihrer Anwesenheit hier auf die Tatsache schließen, daß Sie nicht in der Lage waren, nach Hause zu gehen, hm?“
    Ich gähnte von neuem:
    „Sieht so aus. Sie sollten bei einem Detektiv arbeiten.“
    „Mit anderen Worten, Sie haben Ihren Lheureux wiedergetroffen?“
    „Sieht so aus. Woll’n Se nicht die Fensterläden öffnen?“
    Sie gehorchte. Ein trüber, schlecht gewaschener Tag drang ins Zimmer.
    „Etwas Nebel?“ fragte ich.
    „Sieht so aus“, antwortete sie. „Aber nicht kalt...“
    Sie schloß die Fenster und kam wieder zu mir, wobei sie mich prüfend ansah.
    „O je, o je, der arme Kopf! Offensichtlich haben Sie die Sause zusammen gemacht?“
    „Klar. Wissen Sie, er folgt mir überallhin, mein Kopf.“
    „Ich sprach von Lheureux. Hat er Sie wieder verführt?“
    „Sieht so aus.“
    „Ich hoffe, Sie haben ihn in den Zug gesetzt, sieht’s so aus? „ Ich lachte.
    „Das eben nicht. Er ist im Krankenhaus.“
    Hélène riß ihre schönen erstaunten Augen weit auf:
    „Und seine Frau bezahlt Sie dafür, daß Sie ihn beschützen!... Was ist denn passiert? Eine Schlägerei? Hat ihm ein Kerl aus den Hallen die Gurgel zugedrückt?“
    „Ein dummer Unfall. Ein Rowdy hat ihn angefahren. Ich war nicht dabei... Da fällt mir ein, daß ich seine Frau benachrichtigen muß. Schicken Sie ein Telegramm. Beruhigende Worte, bitte. Melden Sie auch ein
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