Big U
und eine runde, purpurrote Bergsteigerbrille mit Lederklappen an den Seiten, damit am Rand kein Licht einfallen konnte. Dieses Kostüm entwarf er, als ich sein Zimmer verließ. Schlimmer, er fragte sich allmählich, ob er es auch nur ein Semester an so einem Ort aushalten konnte, geschweige denn vier. Er wußte nicht, daß man diese Frage für ihn entscheiden würde, und daher verspürte er dieselbe nervöse Unsicherheit, die auch in mir nagte.
Aber einige Leute fühlten sich im Plex ganz wie zu Hause. Etwa zu dieser Zeit kreuzten sich die Wege von mehreren unter dem D-Turm im untersten Untergeschoß in der staubigen Sackgasse eines Korridors, nicht weit vom Rechenzentrum entfernt. Zunächst einmal standen drei junge Männer vor der einzigen Tür in dem Bereich und schauten abwechselnd in den angrenzenden Raum hinein. Die Taschenlampen aus ihren Brusttaschen zeigten ein kleines Zimmer ohne Fenster mit einem Schreibtisch, einem Stuhl und einem Computer-terminal. Das letztere betrachteten die Männer sehnsüchtig und hatten dabei ihre Mathe-und Computerlehrbücher wie Sandsäcke auf dem Boden gestapelt, als planten sie eine Belagerung. Sie hatten ihre taktischen Alternativen diskutiert, wie man durch diese Tür gelangen könnte, und alle Möglichkeiten durchgespielt, die vom Aufbrechen des Schlosses bis zum Zerschießen der Tür mit halbautomatischen Waffen reichten, aber bisher hatte keiner irgendwas unternommen.
»Wenn wir das Fenster rausnehmen könnten«, sagte einer, ein Mann mit Maulwurfsgesicht, der nach Rasierwasser und Schweiß roch und in einem hellblau schimmernden Kunstfaserhemd und glänzenden dunkelblauen Halbschuhen erstrahlte, »könnten wir reingreifen und die Tür von innen aufmachen.«
»Jemand hat mal versucht, auf diese Weise in das Haus meiner Großmutter einzubrechen«, erinnerte sich ein anderer, ein dunkelhaariger, schlaksiger und verstohlener Bursche, der Mühe hatte, der Unterhaltung zu folgen, »aber sie hat einen fünfhundert Gramm schweren Kugelhammer genommen und ihm die Hand damit zertrümmert. Der kam nie wieder.« Den letzten Satz betonte er wie den Gag einer wahren Anekdote aus Reader’s Digest, und seine Kumpels krümmten sich vor Lachen.
Der dritte, der im Hauptfach Informatik studierte, beunruhigend nach fünfunddreißig aussah und eine straffe blonde Dauerwelle hatte, beruhigte sich schließlich soweit, daß er fragen konnte: »He, Gary, Gary! Hat sie das stumpfe oder das spitze Ende benutzt?«
Gary war gereizt und verwirrt. Er hatte geglaubt, sie beeindrucken zu können, indem er das Gewicht des Hammers nannte, doch diese Sachkenntnis verschlug ihm die Sprache; er wußte nicht, wie ein Kugelhammer aussah. Mehrere Sekunden strahlte er Verlegenheit aus, dann sagte er: »Ich weiß nicht, wahrscheinlich beide, bis sie mit dem Kerl fertig war. Aber der Kerl kam nie wieder.«
Eine gebieterische Stimme machte ihrer Fröhlichkeit ein Ende. »Ein fünfhundert Gramm schwerer Kugelhammer nützt nicht viel gegen eine Schußwaffe. Wenn ich eine Frau wäre, die allein lebt, hätte ich einen Revolver Kaliber achtunddreißig im Haus. Minimum. Double action. Der reicht für die meisten Zwecke aus.«
Der erstaunliche Neuankömmling hatte sofort ihre neugierige Aufmerksamkeit. Er hatte ganz in ihrer Nähe gestanden und die Tür beobachtet; nun rückten sie instinktiv ein Stück von ihm ab. Er war groß, mager und blaß, hatte Bryl-Pomade in seinem schütteren braunen Haar und dunkelrote Lippen. Der Taschenrechner an seiner Hüfte war ein absoluter Spitzencomputer; die andere Hüfte zierte ein Florett, das so ausbalanciert war, daß seine rote Plastikspitze zwei Zentimeter über dem Boden hing. Das war Fred Fine.
»Du bist doch der Typ, der den Konfliktsimulationsclub leitet, richtig?« fragte der blonde Student.
»Ich bin Spielemarschall, falls deine Frage darauf abzielt. Verwaltung und Prokura sind gemäß der Verfassung unter dem Führungskader aufgeteilt.«
»Der Konfliktsimulationsclub?« fragte Gary mit vor Hoffnung erstickter Stimme. »Was denn, gibt es hier etwa einen?«
»Die korrekte Bezeichnung lautet Megaversitäts-Assoziation für Risikospiele und Simulationen oder MARS«, sagte Fred Fine scharf. Gary fuhr immer noch fast atemlos fort: »Habt ihr Jungs jemals ›Taktischer Atomkrieg in Grönland‹ gespielt?«
Fred Fine schaute unmittelbar über Garys Kopf, verzog das Gesicht enorm und summte dabei. »Ist das die frühere Version von ›Marsianer in Godthaap‹?« fragte er
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