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Bienensterben: Roman (German Edition)

Bienensterben: Roman (German Edition)

Titel: Bienensterben: Roman (German Edition)
Autoren: Lisa O'Donnell
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Entwürfe von dem Brief, den er mir hingelegt hat. In einem schrieb er, dass ich ihn an seine Tochter erinnere und dass er mich sehr liebt. Den hat er dann aber doch nicht genommen, sondern weggeworfen. In einem anderen hat er geschrieben, ich wäre etwas »Kostbares« und »Besonderes«. Auch gegen diese Version hat er sich entschieden. Er hat fünf verschiedene Briefe geschrieben, bevor er sich dann für den entschieden hat, den er mir zu meinem Lohn dazugelegt hat. In allen standen Wörter wie Charakter , Schönheit und kostbar . Ich hab sie alle aufgehoben. Ich hab sie alle noch. Ich hab in der ganzen Wohnung verzweifelt nach einem Foto von Vlado gesucht, aber keins gefunden, und das hat mich traurig gemacht, warum hab ich mir nie eins mitgenommen? Ich hab mich an das letzte Mal zu erinnern versucht, als ich ihn gesehen hab, auf seinem Fahrrad am Clyde. Er hatte gelacht, einfach so, über nichts Bestimmtes. Im Kopf hab ich ein Foto davon gemacht, das bewahr ich in meinem Gedächtnis auf. Da hab ich alle, die mir wichtig sind.

Lennie
    Dein Grab zu pflegen fällt mir nicht leicht. Ich komme mit Schere und Bindfaden. Einem Eimer und einer Pflanzschaufel. An deinem Geburtstag bringe ich dir einen Blumenstrauß. Ich habe mir einen Grabplatz an deiner Seite gekauft und werde dich auf meinem Grabstein »Geliebter« nennen.
    Ich mache mir Sorgen um die Mädchen. Meine Mädchen. Ich sorge mich um ihre Zukunft, aber ich war lange genug bei ihnen und das Dunkel rückt näher. Ich habe keinen Kampfgeist mehr und bin erschöpft, doch ich muss mich noch aufrecht halten, die Mädchen brauchen mich und es gibt noch eine Menge zu regeln. Ich kann nur hoffen, dass es genügt und meine Mädchen noch ein klein wenig länger stark bleiben. Jetzt braucht es Mut, Mut und Verschwiegenheit, denn jetzt will eine Menge erkämpft und eine Menge losgelassen werden.

Marnie
    Unvorstellbar, dass ein Mann wie Gene, der auf Frauen stand, eine Vorliebe für kleine Mädchen entwickelt hat. Und noch unvorstellbarer ist es, wie Izzy so einen Mann lieben konnte, hat sie aber, und Nelly und ich auch, als wir noch ganz klein waren. Wie hätten wir ihn auch nicht lieben können? Wir waren Kinder, wir kannten es nur so.
    Ich weiß noch, wie ich mal früher aus der Schule nach Hause gekommen bin, ein paar Wochen bevor Gene zu mir ins Zimmer kam, und da hab ich sie beim Tanzen gesehen. Izzy, langsam. Gene, ganz sanft. Ich glaube, damals hatte ich vor Augen, was sie ganz am Anfang mal gewesen waren, als sie die Prinzessin war und er der Prinz und sie die Furien bezwangen, um zusammen sein zu können. Als ich die zwei als Liebespaar im Kerzenschein gesehen hab, konnte ich mir vorstellen, wie sich ihre Blicke zum ersten Mal getroffen hatten, ihren ersten Kuss. Auf einmal verstand ich, warum sie sich so verzweifelt aneinander festklammerten. Es hat mir auch wehgetan, ihre Liebe so zu sehen, denn jenseits von Drogen, Hass und Untreue erkannte ich den aussichtslosen Versuch, etwas zurückzuholen, das ihnen verloren gegangen war. Jedenfalls, bis Gene dann starb.
    Als ich wieder daran dachte, wie Izzy sich an Genes kalten, toten Körper geklammert hatte, war in mir plötzlich irgendwas entfesselt, eine Art Neugier. Es hatte ihr das Herz gebrochen und ich hab sie dafür verachtet, aber ich konnte mir nie richtig erklären, woher dieser plötzliche Ausbruch von Liebe gekommen war, weil, als er noch lebte, hatte sie ihm solche Gefühle ganz sicher nicht gezeigt. Als ich mich an ihren Schmerz erinnert hab, begriff ich erst die ganze Tragweite dessen, was mal eine tiefe, unergründliche Liebe gewesen sein muss, aber wie konnte sie die nach Jahren voller Missbrauch und Hass wieder hervorholen, noch dazu in so einer Intensität? Und warum hatte sie das getan? In dem Moment hat es klick gemacht. Nicht Nelly hatte Gene erstickt. Izzy war es gewesen.

Lennie
    Er stand drüben vor der Tür und wollte zu Marnie. Er sagte, er hätte ihren Hund gefunden.
    »Das ist nicht Marnies Hund«, entgegnete ich. »Das ist meiner. Mein Bobby. Komm her, alter Junge.« Bobby sprang mich so freudig an, dass ich dachte, er wirft mich um.
    »Ist Marnie da?«, fragte er.
    »Wer will das wissen?«
    »Sandy«, sagte er.
    Es war ein hübscher Junge um die fünfzehn, rotes Haar und blaue Augen, vielleicht auch violett.
    »Nein, leider nicht.« Ich lächelte. »Kann ich ihr ausrichten, wer zu ihr wollte?«
    »Sandy«, sagte er.
    »Sie rechnen sicher mit einem Finderlohn, junger Mann.« Ich strahlte
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