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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes
Autoren: Brigitte Glaser
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Arbeitsfläche für ihre Nachfolger sauber. Insgesamt sechs Küchenzeilen zählte ich. Jeweils drei hintereinander, bestehend aus Herd, Arbeitsfläche, Waschbecken und Kühlschrank, beschienen von hässlichen Neonröhren, dazwischen ein schmaler Gang. Rechts hinter der letzten Küchenzeile hörte ich durch eine offene Tür Arîns Stimme. Dort musste der Umkleideraum sein. Vor den Küchenzeilen stand ein langer Tisch, an dem die Prüfer saßen, dahinter ein paar Stühle für Zuschauer. Krüger winkte mich zu sich. Kurze Zeit später kämpften sich das dicke Mädchen von vorhin und ein pickeliger Junge an uns vorbei in die hinterste Stuhlreihe. Ihnen folgte ein zartes Blondchen mit dem Zeug zu »Everybody’s Darling«.
    Arîn huschte in ihren frischen Kochklamotten nach vorn, nickte den Prüfern kurz zu und legte sich auf der linken, vorderen Küchenzeile ihre Messer zurecht. Der zitronengelbe Schulleiter setzte sich hinter die Prüfer, die Frau, die mit ihm den Raum betreten hatte, ließ sich mit einem Seufzer auf den Stuhl neben Krüger plumpsen.
    Â»Wie immer auf den letzten Drücker, Frau Kollegin«, begrüßte er sie.
    Ein weiteres Mal öffnete sich die Tür, ein klapperdürrer Mann trat durch den Türrahmen, bevor er sich auf einen Stuhl direkt vor uns setzte. Während Krüger ihn bat, ein paar Stühle weiterzurücken, tauchte Justus in der Küche auf. Mit einer ungeduldigen Bewegung kratzte er sich kurz den Rücken, so als würde ihn ein frischer Mückenstich plagen, dann lächelte er die Prüfer gewinnend an, bevor er seinen teuren Messerkoffer öffnete und Arîn einen verächtlichen Blick schickte.
    Â»Fangen Sie an!«, sagte der mittlere Prüfer, ohne von seinem Blatt aufzusehen.
    Justus versuchte noch einmal, sie durch ein strahlendes Lächeln bereits im Vorfeld für sich zu gewinnen. Als dies nicht gelang, bückte er sich, genau wie Arîn, um die Lebensmittel aus dem Kühlschrank zu holen. Als er sich wieder aufrichtete, wirkte er wie in eine Mehltüte getaucht. Kreidebleich und ohne klaren Blick, wie unter massivem Drogeneinfluss stehend, schaute er zu den Prüfern hinüber, suchte in deren Reaktion eine Erklärung für das, was mit ihm geschah. Aber sie reagierten nicht, keiner in dieser Küche reagierte. Leicht schwankend legte Justus den Hecht auf die Arbeitsfläche und rang nach Luft. Er griff sich in die Seite und taumelte. Das Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Haltsuchend patschte er mit der Hand auf die Arbeitsfläche, der Hecht glitschte zu Boden, und mit einem leidvollen Stöhnen folgte Justus dem Fisch.
    Arîns Hecht baumelte an ihrer Hand, in der anderen Hand krampfte sie ein paar Spargelstangen zusammen. Wie fest gefroren stand sie da, ihre dunklen Augen starrten auf Justus’ zuckende Bewegungen.
    Die Frau neben Krüger sprang auf und stürzte zu dem Verunglückten. Der Schulleiter flatterte hinter ihr her. Das Blondchen, das unentwegt »Justus, Justus!« kreischte, stolperte ebenfalls mit unsicheren Schritten nach vorn.
    Arîn hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Über ihren Unterarm schlierte ein zartes Rinnsal von Spargelsaft, so sehr presste sie die Stangen zusammen. Die Frau kniete sich neben Justus, der Schulleiter beugte sich über die beiden.
    Â»Ich fühle keinen Puls«, hörte ich die Frau sagen. »Los, schnell den Notarzt anrufen!«, befahl sie ihrem Chef.
    Â»Stabile Seitenlage, Sie müssen ihn in die stabile Seitenlage bringen«, nuschelte der, während er sein Handy bediente.
    Â»Kann mir jemand helfen?«, schrie die Frau.
    Ganz automatisch machte ich mich auf den Weg zu ihr. Das kreischende Blondchen schob ich zur Seite, der Schulleiter machte mir Platz. Die Frau, immer noch neben Justus kniend, schickte mir einen panischen Blick. Justus lag auf dem Rücken. Sein rechter Arm hielt den Bauch umschlungen, der linke lag schlaff daneben. Seine Augen fixierten die Decke, würden weiter die Decke fixieren, weil die hässlichen Neonleuchten das Letzte sein würden, das diese Augen lebend sahen.
    Â»Wir warten auf den Notarzt«, flüsterte die Frau.
    Ich verstand, dass sie nicht die Überbringerin der Hiobsbotschaft sein wollte. Außerdem musste der Arzt den Tod feststellen, wir waren keine Mediziner. Darüber hinaus klammerte sie sich bestimmt genauso wie ich an die winzige Chance,
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