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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes
Autoren: Brigitte Glaser
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Lebensmittelchemie erstellt worden waren. Langsam bewegte ich mich in Richtung Schulküche. Wieder tauchte Karsten Heinemann vor mir auf. Seine braunen Locken, sein teigiges Gesicht, der formlose Körper, dem man damals schon ansah, dass er wie ein Hefekloß auseinandergehen würde. Eine Zeit lang waren wir mit demselben Zug nach Bühl in die Berufsschule gefahren, hatten dabei über dies und das gesprochen. Er war langweilig, aber eigentlich ganz nett, niemals hätte ich gedacht, dass ausgerechnet Karsten …
    Â»Katharina die Große!«
    Die Stimme klang vertraut, aber es dauerte, bis ich wusste, wer der Mann in Jeans, Shirt und Sakko war, der mich da ansprach.
    Â»Was treibt dich hierher?«
    Ich hatte ihn so gut wie nie in Zivil gesehen, immer nur in seiner schwarzen Kellnerkluft, aber wie er mit einer Hand etwas Staub von einem der Schaukästen wedelte, war mir klar, wen ich vor mir hatte.
    Â»Das Gleiche könnte ich dich fragen, Krüger.«
    Â»Ich habe umgesattelt. Nach der Sache mit Spielmann dachte ich: Ist ‘ne gute Gelegenheit, was Neues auszuprobieren. So bin ich Berufsschullehrer geworden.«
    Krüger und ich hatten vor ein paar Jahren gemeinsam in Hugo Spielmanns Goldenem Ochsen, einem der feinsten Lokale der Stadt, gearbeitet. Krüger als Chef de Service und ich auf dem Garde-manger-Posten. Krüger, der im Goldenen Ochsen über Damastdecken, Kristallgläser, Tafelsilber und feinstes Porzellan herrschte, Krüger, der ausflippte, wenn jemand seine Servietten auseinanderrupfte, Krüger, der jedes Staubflöckchen ausfindig machte und vernichtete, passte in diese Berufsschule wie eine Jakobsmuschel in eine Linsensuppe.
    Â»Die Arbeitszeit wiegt vieles auf«, seufzte er, als er meinen skeptischen Blick bemerkte. »Und die Ferien! – Die Schüler dagegen … Nun ja, da hat man selten Lichtblicke!«
    Wie um diese Aussage zu bestätigen, drang aus Richtung Schulküche zorniges Geschrei den Flur herunter. Schrille, hüpfende Obertöne und stahlharte, tiefere Kontrapunkte. Die schrillen Obertöne kannte ich nur zu gut. Ich wusste genau, in welchen unangenehmen Höhen sich Arîns Stimme verlor, wenn sie wütend war.
    Krüger eilte in Richtung Unruheherd, und ich folgte ihm. Er schlängelte sich durch eine Schülertraube, platzierte sich zwischen Arîn und ihren Gegenspieler Justus. Über Arîns Olivenhaut rannen Schweißtropfen, und Justus leckte sich wie eine Raubkatze die Hand. Offensichtlich hatte Arîn ihn gebissen.
    Â»Ihr zwei schon wieder!«, schimpfte Krüger. »Reicht es nicht, wenn ihr euch gleich bei der Kochprüfung duelliert?«
    Â»Er hat angefangen!«, quietschte Arîn, deren Stimme ihr noch nicht gehorchte.
    Â»Da, wo die herkommt, kann man nur zubeißen«, konterte Justus und lächelte Krüger bedauernd an. Ich sah, wie der alte Service-Chef unter diesem Lächeln zerfloss. Sich wieder sammelnd klatschte er kurz in die Hände.
    Â»Haken wir das Ganze unter Prüfungsnervosität ab!« Mit diesen Worten begnadigte er die beiden. »Ab mit euch! Ich wünsche euch viel Glück!«
    Arîn sah mich herausfordernd an. Jetzt, nach diesem Streit, war sie aufgeregt, würde Fehler machen, Hecht hin oder her. Ich wusste genau, wenn ich ihr signalisieren würde, sie solle das Ganze bleiben lassen, würde sie sofort mit mir nach Hause gehen. Aber ich wollte nicht, dass sie kniff, wollte nicht, dass sie sich von diesem Junggott, der es offensichtlich vermochte, sie blitzschnell auf die Palme zu bringen, unterkriegen ließ. Ich schickte ihr einen aufmunternden Blick. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zur Schulküche, und ein schlaksiger, älterer Mann mit einem zitronengelben Pullover bekleidet und einem kantigen, legosteinähnlichen Gesicht trat heraus.
    Â»Justus, Arîn«, rief er. »Ihr seid die Nächsten!«
    Â»Das ist Tieden«, flüsterte mir Krüger zu. »Unser Schulleiter.«
    Weitere zehn Minuten lang betrachtete ich Schaukästen, sah Schüler den Flur hinauf- und hinunterlaufen. Aus der Schulküche strömte der Duft von Spargelbrühe und gebratenem Speck nach draußen. An der Tür klebte der Kochplan für Arîn und Justus. Spargelsuppe, Hechtklößchen, Erdbeeren in Weinteig mit Marsalaschaumsoße. Die zwei Schüler, die ihre Prüfung gerade hinter sich hatten, schrubbten die
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