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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes
Autoren: Brigitte Glaser
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Ausbeinmesser!« Sie strahlte über das ganze Gesicht und befühlte vorsichtig die schmale, scharf geschliffene Klinge. »Das Einzige, was noch gefehlt hat! Jetzt sind meine Messer komplett!«
    Â»Na, dann kann’s ja losgehen!«
    Arîn lachte ihr kehliges Lachen und sah mich vertrauensvoll an.
    Für ihre Loyalität mir gegenüber hätte ich bis heute Morgen beide Hände ins Feuer gelegt. Bis zu dem Augenblick, als ich sie, trotz der Verkleidung mit dem Kopftuch, an genau diesem Lachen erkannt hatte. Das Mädchen mit dem Kopftuch, das sich so ehrerbietend von Cengiz Özal verabschiedet hatte, war Arîn Kalay gewesen.
    Im trostlosen Foyer des Berufkollegs verscheuchte der Geruch von Bohnerwachs und Kreidestaub die Gedanken an Arîn und katapultierte mich um fünfundzwanzig Jahre zurück. Für einen Augenblick war ich wieder siebzehn und auf dem Weg zu meiner Prüfung: Ich rekapitulierte die Beilagen aus dem »Jungkoch«, prüfte, ob mein »Maria-hilf-Päckchen« aus gekörnter Brühe und Glutamat gut verborgen in meiner Kochjacke steckte, und ich merkte, wie plötzlich die längst verrauchte Wut auf Karsten Heinemann in mir aufstieg.
    Aber diese Wut versank sofort in den Schubladen meiner Erinnerung, als ich den Jungen sah, der uns auf dem stickigen Schulflur entgegenkam. Groß, schlank, mit federndem Schritt näherte er sich, die blonden Locken glänzten, die blauen Augen strahlten, das ebenmäßige Gesicht schimmerte trotz der verschmierten, seit Ewigkeiten ungeputzten Flurfenster. Er erinnerte an Jung-Siegfried, an Achill, an Legolas, an Old Shatterhand und Han Solo, an alle Helden meiner Mädchenzeit! So sah einer aus, der die Welt eroberte, ein Hans-im-Glück, einer, der alles, was er anpackte, vergoldete. Ich merkte, wie ich ihn anstarrte, den Mund vor Staunen nicht zumachen konnte.
    Â»Wir kochen zusammen, Kümmeltürke«, spuckte der junge Gott Arîn entgegen, als er an uns vorbeiging. »Und ich mach dich fertig!«
    Er schritt mit diesem federnden Gang weiter den Flur hinunter und zeigte uns, ohne sich noch mal umzudrehen, den Stinkefinger. Arîn presste die Lippen zusammen und krampfte Kochklamotten und Messer gegen den Bauch.
    Â»War das etwa Justus?«, fragte ich, als ich den Mund wieder zumachen konnte. »Der Justus, der dich die ganze Zeit gepiesackt hat?«
    Anstatt einer Antwort warf Arîn mit einer energischen Bewegung ihre Kochklamotten über die Schulter, klemmte die Messertasche unter den Arm und spuckte dreimal kräftig auf den Schulflur.
    Â»Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, fluchte sie dann. »Mit dem koch ich nicht! Lass uns umdrehen, ich mach die Prüfung im nächsten Halbjahr!«
    Â»Jetzt mal halblang«, sagte ich. »Oder willst du dich von dem unterkriegen lassen?«
    Â»Das Arschloch ist ein Blender, aber bisher ist er damit bei allen Lehrern durchgekommen. Das wird ihm auch bei der Prüfung gelingen!«
    Â»Kochprüfungen kannst du als Blender nicht bestehen«, sagte ich. »Dafür musst du das Handwerk beherrschen, und das kannst du, Arîn. Los, zeig’s ihm! Mach ihn fertig! – Du willst doch nicht kneifen, oder?«
    Arîns Koboldaugen funkelten mich wütend an, dann spuckte sie wieder dreimal auf den Boden.
    Â»Koch, wie du es immer tust!«, machte ich ihr weiter Mut und fügte in Erinnerung an Karsten Heinemann hinzu: »Du musst nur aufpassen, dass er nicht in die Nähe von deinen Töpfen kommt!«
    Â»Hey, Arîn, für dich ist es toll, dass ein Hecht in unserem Warenkorb ist«, sagte ein dickes Mädchen, das plötzlich neben uns stand. Ich kannte sie vom Sehen. Sie arbeitete in der Küche des Altenheims gegenüber der Weißen Lilie.
    Â»Keiner ist so flink beim Fischezerlegen wie du!«, fuhr das Mädchen fort. »Mir ist das noch nie richtig gelungen …«
    Â»Bei Fisch bist du einsame Spitze!«, bestätigte ich.
    Arîn schaute immer noch wütend, ließ sich aber von dem dicken Mädchen in Richtung Schulküche ziehen.
    Es waren noch zwanzig Minuten bis zu Arîns Prüfungstermin. Ich schlenderte gemächlich von Schaukasten zu Schaukasten, besah mir nacheinander verblassende, handgemalte Speisekarten, ein Geschenkkorbarrangement mit Plastikwürsten sowie Gummibärchen und Lakritzschnecken, die zum Thema »Süßigkeiten unter der Lupe« im Fach
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