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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman
Autoren: Michel Birbaek
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Bierflasche.
    »Amerikanisch.«
    Ich schaue ihn an.
    »Sie führt völkerrechtswidrige Angriffskriege?«
    Er lacht nicht. Stattdessen trinkt er die Flasche leer, setzt sie ab und rülpst. Kate schaut zu uns rüber. Stan hält vier Finger hoch. Sie bestätigt die Bestellung mit einem schönen Lächeln. Stan schaut mich wieder an, den Blick nicht mehr ganz unter Kontrolle. An der Brusttasche seines Smokings kleben zwei Erdnüsse. Auch an ihm geht tagelanges Feiern nicht mehr spurlos vorbei.
    »Sie geht jeden Morgen ins Fitnesscenter, danach geht sie ins Büro, abends büffelt sie für die Weiterbildung. Manchmal geht sie auf Partys, um dort jemanden kennen zu lernen, der ihr einen weiteren Job vermittelt. Wenn sie einen freien Tag hat, dreht sie durch und verfällt in blinden Aktionismus. Sie hat seit vier Jahren keinen Urlaub mehr gemacht; sie glaubt, dass man stirbt, wenn man mal einen Tag abhängt.«
    »Und da kommst du.«
    »Und da komme ich«, nickt er.
    Kate stellt vier eisgekühlte Flaschen vor uns hin und lächelt wieder dieses wirklich schöne Lächeln. Stan schiebt ihr einen Schein rüber und winkt ab. Sie nimmt ihn an sich, lächelt noch mal und als sie sich entfernt, liegt da wieder eine kleine blaue Karte mit rosa Schrift auf der Theke. Hartnäckigkeit soll sich ja auszahlen, aber für einen Kerl, der gerade geheiratet hat, reicht es nicht. Stan ignoriert die Karte und schiebt mir zwei der Flaschen rüber. Wir prosten uns zu und kippen das Bier hinunter.
    Einige Hochzeitsgäste kommen rüber, um sich zu verabschieden. Stan erklärt zum hundertsten Mal, dass die Verspätung in der Kirche an einer geplatzten Naht im Brautkleid lag, dann lässt er sich zum Abschied umarmen und kassiert jede Menge Küsschen links, Küsschen rechts. An einem normalen Tag passiert ihm das nicht.
    Die Hochzeitsgäste ziehen gen Ausgang.
    »Geplatzte Naht ...«, sage ich.
    »Tja, ja«, grinst er und schnappt sich die nächste Flasche. »Und – wann platzt bei euch die Naht?«
    »Was meinst du?«, frage ich und trinke einen Schluck. Er starrt mich an.
    »Na, was wohl, du Blödmann!«
    »Ist gerade kein Thema. In letzter Zeit sehen wir uns nicht so oft.«
    Er lässt seine Flasche sinken.
    »Mach keinen Scheiß.«
    »Ich mache gar nichts. Tess macht Karriere – und zwar amtlich.«
    Er runzelt die Stirn.
    »Mit diesem Trainerzeug?«
    Ich nicke und weiche Penetrissas Blick aus, die anscheinend beschlossen hat, dass der Freund des Produzenten auch ausreicht.
    »Zurzeit ist sie bei VW. Wenn du wüsstest, was die ihr zahlen, würdest du umfallen.«
    »Ist doch super«, sagt er.
    »Klar«, sage ich und stoße meine Flasche gegen seine, aber dafür kennen wir uns zu lange.
    Er legt den Kopf schief.
    »Freu dich doch! Deine Süße hat Erfolg? Ihr werdet reich?«
    Ich nicke bloß. Er grinst.
    »Man könnte glatt denken, du wärst neidisch.«
    Bevor mir dazu was Schlaues einfällt, kommen unsere Tänzerinnen von der Tanzfläche. Die Braut vibriert vor Energie. Sie fällt Stan um den Hals und küsst ihn wild. Tess legt mir einen Arm um die Taille, kuschelt sich an mich und lächelt zu mir hoch.
    »Worüber redet ihr?«
    »Über eure Hochzeit«, sagt Stan.
    Tess wird starr in meinem Arm. Ich werfe Stan einen Blick zu. Er grinst blöde. Stella strahlt uns abwechselnd an.
    »Ihr heiratet auch?«
    »Nein«, sagen wir beide gleichzeitig.
    Stellas Strahlen verliert ein paar Watt.
    »Das heißt, natürlich wollen wir heiraten«, sage ich, ohne Tess dabei anzuschauen.
    »Aber momentan noch nicht«, ergänzt Tess.
    Stella schaut zwischen uns hin und her.
    »Wollt ihr denn keine Kinder?«
    Stan wirft seiner Angetrauten einen warnenden Blick zu. »Natürlich wollen wir Kinder«, sagt Tess.
    »Aber momentan noch nicht«, ergänze ich.
    Stella schaut zwischen uns hin und her. Dann merkt sie, dass sie in ein Minenfeld spaziert ist, verzieht den Mund und senkt den Blick. Ihr Ehemann rettet sie:
    »Wow! Hör mal, sweetie – unser Lied!«
    Er schnappt sich ihre Hand und zieht sie zur Tanzfläche, auf der ein miserabler Remix von Ain’t no Sunshine läuft. Nie im Leben ist das ihr Lied. Aber vielleicht wird es das ja jetzt. Vielleicht werden sie es sich in Zukunft an jedem Hochzeitstag anhören und sich dabei totlachen: He, weißt du noch? O ja, das war ja so peinlich! Und – wollen die beiden immer noch heiraten? Ja, klar – aber momentan noch nicht ! Uahahahaaaa!
    Tess’ Körper ist immer noch angespannt. Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen.
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