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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe
Autoren: J Downham
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Dad gesagt. »Ich kann nur hoffen, dass sie verdammt noch mal platzt!«
    Ich hängte ihre Karten bei mir im Zimmer an die Wand – Carlisle, Melrose, Dornoch.
    Wir leben auf einem Gehöft wie die Hirten, schrieb sie. Hast du gewusst, dass man Luftröhre, Lunge, Herz und Leber von einem Schaf braucht, um die schottische Spezialität Haggis zu machen?
    Das war mir neu, und ich wusste auch nicht, wen sie mit »wir« meinte, aber ich sah mir gern das Foto von John o’Groats mit dem weiten Himmel an, wie er sich über den Firth erstreckte.
    Dann war der Winter da, und ich bekam meine Diagnose. Ich weiß nicht, ob sie es gleich geglaubt hat, weil sie eine Weile gebraucht hat, um umzukehren und den Rückweg zu finden. Als sie schließlich an unsere Tür klopfte, war ich dreizehn.
    »Du siehst super aus!«, meinte sie, als ich aufmachte. »Warum muss dein Vater immer alles so viel düsterer ausmalen, als es ist?«
    »Kommst du zu uns zurück?«, fragte ich.
    »Nicht ganz.«
    Und dann nahm sie sich ihre Wohnung.
    Es läuft immer gleich. Vielleicht fehlt es am Geld, oder vielleicht will sie ganz sichergehen, dass ich mich nicht überanstrenge, aber am Ende sehen wir uns immer Videos an oder spielen
Brettspiele. Heute entscheidet sich Cal für das Spiel des Lebens. Es ist Mist, und ich kann’s nicht. Zum Schluss habe ich einen Ehemann, zwei Kinder und eine Stelle in einem Reisebüro. Ich vergesse, eine Gebäude- und Hausratsversicherung abzuschließen, und als ein Unwetter kommt, verliere ich mein ganzes Geld. Cal hingegen wird ein Popstar mit einem Landhaus am Meer, und Mum ist eine Künstlerin mit ansehnlichem Einkommen und wohnt in einer noblen Villa. Als ich in Rente gehe, was früh passiert, weil ich immerzu Zehner würfle, mache ich mir nicht mal die Mühe, mein restliches Kleingeld zu zählen.
    Als Nächstes will Cal Mum seinen neuen Zaubertrick zeigen. Er holt eine Münze aus ihrer Geldbörse, und während wir warten, ziehe ich die Decke von der Sofarückenlehne, und Mum hilft mir, sie mir über die Knie zu legen.
    »Nächste Woche steht bei mir das Krankenhaus an«, erzähle ich ihr. »Kommst du mit?«
    »Geht Dad nicht?«
    »Ihr könntet beide mitkommen.«
    Sie wirkt ein wenig verlegen. »Wozu musst du hin?«
    »Ich hab wieder Kopfschmerzen gekriegt. Sie wollen eine Lumbalpunktion machen.«
    Sie lehnt sich zu mir rüber und küsst mich, und ich spüre ihren warmen Atem auf dem Gesicht. »Es geht bestimmt gut, mach dir keine Sorgen. Ich weiß, dass es gut gehen wird.«
    Cal kommt mit einer Pfundmünze wieder. »Sehen Sie ganz genau hin, meine Damen«, sagt er.
    Aber ich will nicht. Ich habe die Nase voll davon, Dinge verschwinden zu sehen.
    In Mums Schlafzimmer ziehe ich mein T-Shirt vor dem Schrankspiegel hoch. Ich habe mal wie ein hässlicher Zwerg ausgesehen. Meine Haut war grau, und wenn ich in meinen Bauch piekste, fühlte er sich an wie ein zu weit aufgegangener
Klumpen Brotteig, und mein Finger verschwand in der weichen Masse. Das lag am Kortison. Hoch dosiertes Prednisolon und Dexamethason. Das sind beides Gifte, von denen man fett, hässlich und übellaunig wird.
    Seit ich sie abgesetzt habe, laufe ich ein. Heute steht meine Hüfte scharf hervor, und meine Rippen lassen sich durch die Haut zählen. Wie ein Gespenst verziehe ich mich vor mir selber.
    Auf Mums Bett sitzend, rufe ich Zoey an.
    »Sex«, frage ich sie. »Was hat es zu bedeuten?«
    »Du Ärmste«, sagt sie. »Du hast wirklich eine Nullnummer im Bett erwischt, was?«
    »Ich versteh bloß nicht, warum ich mich so merkwürdig fühle.«
    »Wie merkwürdig?«
    »Einsam, und ich hab Bauchschmerzen.«
    »Ach ja!«, sagt sie. »Daran kann ich mich erinnern. Als ob dich wer aufgeklappt hätte?«
    »So ungefähr.«
    »Das geht vorbei.«
    »Warum ist mir andauernd zum Heulen?«
    »Du nimmst es zu ernst, Tess. Sex ist nur eine Art, mit jemand zusammen zu sein, mehr nicht. Einfach, damit man sich warm hält und attraktiv fühlt.«
    Sie hört sich komisch an, als ob sie lächelt.
    »Bist du schon wieder bekifft, Zoey?«
    »Nee!«
    »Wo bist du?«
    »Hör mal, ich muss gleich los. Sag mir, was als Nächstes auf deiner Liste kommt, und wir machen einen Plan.«
    »Die Liste hab ich gestrichen. Die war dämlich.«
    »Quatsch, die war geil! Lass sie nicht sausen. Endlich hast du was mit deinem Leben angefangen.«

    Als ich aufgelegt habe, zähle ich im Kopf bis siebenundfünfzig. Dann wähle ich die 999.
    Eine Frau meldet sich: »Notrufdienste. Welchen Dienst
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