Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beutewelt 06 - Friedensdämmerung

Beutewelt 06 - Friedensdämmerung

Titel: Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
Autoren: Alexander Merow
Vom Netzwerk:
Kinn.
    „Das wirst du gleich sehen. Ich habe mir neulich mal ein Buch über Schach reingezogen.“
    „Wir werden ja merken, ob es was geholfen hat…“, scherzte Balkov und strich sich grübelnd durch die Haare. Nun machte auch er einen Zug. Er schnaufte, wartete ab.
    „Ganz schön heiß ist es heute, obwohl wir erst Mai haben“, bemerkte der Offizier der Volksarmee beiläufig, doch Balkov meditierte über dem kleinen Schachbrett und schwieg.
    Sein Gegner bewegte einen seiner Türme und Pjotr wirkte, als ob er nicht verstand, was dieser genau vorhatte.
    „Mal sehen, ob du meine Taktik errätst?“, sagte der Volksarmist.
    „Hmmm…“, machte der junge Waräger lediglich und dachte nach.
    Eine Gruppe kleiner Kinder rannte an den beiden vorbei und ihre lauten, schrillen Stimmen rissen Pjotr aus seinem Zustand der Konzentration. Für einen kurzen Augenblick wandte er seinen Blick den Kleinen zu. Diese musterten die beiden Soldaten auf der Mauer mit großen Augen.
    Balkov schenkte ihnen ein flüchtiges Lächeln und vertiefte sich wieder in das Schachspiel. Er ließ eines seiner Pferde vorrücken und kratzte sich am Kopf.
    „Du nimmst dein Pferd und ich nehme jetzt…“, flüsterte der Offizier der Volksarmee leise vor sich hin.
    „Das ist eben das Interessante am Schach: Man weiß nie, welchen Zug der Gegner als nächstes macht“, meinte Pjotr.
    Sein Kamerad setzte einen weiteren Bauern ein Feld nach vorn, wobei er breit grinste. Es verging eine weitere Viertelstunde und die beiden Männer waren inzwischen voll und ganz mit den Gedanken in ihrem Spiel versunken. Der junge Waräger hätte Recht, wenn er meinte, dass man beim Schach nie wirklich wissen konnte, welchen Zug der Gegner als nächstes unternahm. Das merkte der Volksarmist zwischendurch mehrfach an.
    Balkov sah sich noch einmal zu den Kindern um, die die beiden Schachspieler noch immer neugierig beäugten. Er lächelte ihnen wieder zu. Ein kleines Mädchen kicherte und tuschelte etwas. Dann winkte es Pjotr flüchtig und verschwand mit den anderen Kindern in einer Nebenstraße.
    Der Offizier der Volksarmee sah nachdenklich auf die Uhr und dann wieder auf das kleine Schachbrett vor sich, während Balkov den blauen Himmel über sich betrachtete und seinen Blick über die umliegenden Häuser schweifen ließ.
    „Du bist am Zug!“, bemerkte der Volksarmist und tippte ihm auf die Schulter.
    Der Waräger antwortete nicht, er blickte indes nur gedankenverloren zum Brandenburger Tor herüber.
    „Was ist denn? Du bist dran!“, brummte sein Spielpartner noch einmal.
    Plötzlich zeriss ein dumpfes Grollen in einigen Hundert Metern Entfernung die Stille und ein gleißendes Licht erfüllte den Horizont. Pjotr starrte für den Bruchteil einer Sekunde auf das unheimliche Schauspiel vor seinen Augen. Blankes Entsetzen schoss ihm in die Glieder und tief in seinem Inneren wusste er, dass dieses grelle Licht das Letzte sein würde, was er je sah.

    Wilden hatte sich fest vorgenommen, Agatha, Julia und den kleinen Friedrich zu beruhigen und war extra nach Ivas gefahren, um nach ihnen zu sehen. Doch auch er selbst stand noch immer unter Schock, hatte Mühe einen klaren Gedanken zu fassen. Der Außenminister hatte es heute morgen gehört und sich von Tschistokjow, der ebenfalls wie vom Blitz getroffen zusammengesunken war, die Erlaubnis geholt, zu seiner Familie nach Litauen zu fahren.
    Als Wilden endlich zu Hause angekommen war, wurde er von Julia, die die Hiobsbotschaft erst vor einer Stunde durch die Nachrichten erfahren hatte, unter Tränen begrüßt. Er ging ins Wohnzimmer, wo Agatha und Friedrich schweigend auf dem Sofa saßen.
    „Ihr…ihr dürft jetzt nicht die Nerven verlieren“, stammelte er, während seine Frau laut zu weinen begann.
    „Frank hat sich bei mir gemeldet, er lebt. Gott sei Dank!“, sagte Julia verstört und klammerte sich an ihren Vater.
    „Geht es jetzt los?“, wimmerte Agatha und nahm Friedrich in den Arm.
    „Was soll ich sagen? Ich kann…“, murmelte Wilden leise.
    Julia winkte Friedrich zu sich, brachte ihn ins Kinderzimmer. „Das ist nichts für kleine Jungs. Spiel ein bisschen mit Papas Orks, aber mach sie nicht kaputt.“
    „In Ordnung!“, wisperte der Junge und sah seine Mutter besorgt an. „Was ist denn passiert, Mama? Sag es mir doch!“
    „Spiel mit Papas Figuren, Friedrich.“
    „Aber Papa sagt immer, ich darf da nicht dran…“
    „Heute darfst du es!“, hauchte Julia und schluckte einige Tränen herunter. Daraufhin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher