Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843

Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843

Titel: Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843
Autoren: Alexander Merow
Vom Netzwerk:
kann. Wie wichtig Konsum und Gewinnmaximierung für eine funktionierende Gesellschaft sind.
    In diesen langen Wochen der Isolation, der grellen künstlichen Tage und der schwarzen unnatürlichen Nächte war es Franks größte Sorge, nicht den Verstand zu verlieren. Die Einsamkeit, die Langeweile und vor allem das bohrende Licht hatten ihn nach einem Monat in eine traurige Gestalt verwandelt. Sehr oft dachte er jetzt an seinen Vater und seine Schwester, die einzigen Mitglieder seiner Familie, die noch da waren. Franks Mutter war vor drei Jahren gestorben, er hatte sie sehr geliebt und mit ihrem Tod verlor er nicht nur seine biologische Mutter, sondern auch seinen besten Freund, seine engste Bezugsperson auf dieser Welt. Die Zeit danach war hart. Jetzt hatte er meist keinen mehr zum Reden.
    Zu seinem Vater, Rainer Kohlhaas, der im östlichen Teil Berlins wohnte, hatte Frank immer nur unregelmäßigen Kontakt gehabt. Selten, zu selten, hatte er ihn bisher besucht, wenn er ehrlich war. Aber Rainer Kohlhaas war ein gefühlsarmer Klotz, jedes Gespräch mit ihm war mühsam, so wortkarg war er immer. Gestritten hatten sie früher häufig. Oft zeigte der Vater offen seinen Unmut über Franks Lebensweg und hielt als positives Beispiel immer Franks Schwester Martina hoch. Das hasste sein Sohn, doch jetzt waren diese Dinge ohnehin nicht mehr von Bedeutung.
    Ab und zu telefonierte er mit seiner älteren Schwester, der Erfolgreicheren der beiden Kinder. Martina Kohlhaas war Lehrerin geworden, hatte geheiratet und Frank beneidete sie oftmals um ihre gute Bezahlung. Sie beichtete ihm allerdings eines Tages, wie sehr sie der Lehrerberuf belastete und wie viel Nerven er sie kostete.
    Sie unterrichtete die Fächer „Biologie“ und „Englisch“ an einem Einheitsschulkomplex in Wuppertal im Unterbezirk Westfalen-Rheinland. Die Situation an den Schulen beschrieb sie als immer unerträglicher und Frank hatte den Verdacht, dass sie mittlerweile schon Beruhigungsmittel schluckte oder trank. Aber sie hielt durch, ihrem Mann und ihrem Sohn, dem kleinen Nico, zuliebe. Bürger 1- 564398B-278843 hatte seinen Neffen erst zweimal gesehen, war aber immer stolz gewesen, Onkel zu sein.
    In diesen schrecklichen Tagen dachte er sehr oft an den Rest seiner Familie, der vielleicht gar nicht wusste, dass er hier eingesperrt war. Sie wunderten sich vermutlich lediglich, dass Frank seit Wochen nicht mehr ans Telefon ging.
    Vielleicht hatten sie seine Familienmitglieder aber auch informiert, dass er straffällig geworden, jetzt unter die Verbrecher gekommen war, und erst einmal seine gerechte Strafe absitzen musste. Er wusste es nicht, aber er konnte sich das Gesicht sein Vaters vorstellen, wenn er diese Nachricht bekam.
    „Ich hatte immer die Befürchtung, dass der Junge sein Leben vergeudet. Jetzt hat er alles endgültig versaut“, hatte er vielleicht gemurmelt. Der Häftling mochte lieber nicht an so etwas denken.
    „Was ist wohl aus meiner Wohnung geworden?“ grübelte er vor sich hin. „Mit Sicherheit ist sie bereits neu vermietet worden. Das geht schnell, wenn die Miete nicht mehr vom Scanchip abgebucht werden kann.“
    Frank konnte hier nur mit sich selbst sprechen und machte seiner Verzweiflung und Hilflosigkeit manchmal mit schreien oder weinen Luft. Doch es änderte nichts. Es war erst ein einziger Monat verstrichen und Frank kam es vor, als wäre er bereits vom einen Ende der Hölle zum anderen gelaufen.
    Leicht war es nicht, hier durchzuhalten. Und da die täglichen zwei Umerziehungsstunden eigentlich sogar das Interessanteste waren, was an einem Tag in der Holozelle geschah, freute sich Frank nach einer Weile gelegentlich sogar darauf.
    Manchmal versuchte er jedoch auch den Lautsprecher, der viel zu hoch hing, um ihn zerstören zu können, herunter zu reißen. Er steigerte sich dann in so eine Wut hinein, dass er gegen die Wände trat oder sich selbst so stark in den Arm biss, dass es blutete. Franks einsamer Kampf gegen die Windmühlen ging so einige Zeit weiter. Immer erfolglos und immer näher am Verlust seines gesunden Menschenverstandes. Manchmal schrie er vor dem Lautsprecher laut herum, bettelte um Gnade und Vergebung und gelobte jede Regel und jede Vorschrift für alle Ewig- keit zu befolgen, alles zu glauben und alles zu tun, was man von ihm verlangte. Doch niemand antwortete ihm.
    Als zwei Monate herum waren, brach Frank immer öfter in Tränen aus oder verkroch sich wimmernd und zappelnd unter seiner weißen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher