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Beuterausch

Beuterausch

Titel: Beuterausch
Autoren: Lucky Jack & McKee Ketchum
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Augenblick lang dachte ich, sie würde gleich zu weinen anfangen. Dann wandte sie sich ab und stürmte aus der Höhle.
    Die Frau – jetzt wieder ruhig, der Sturm hatte sich ebenso plötzlich verzogen, wie er aufgekommen war – sah mich nur an und nickte.
    Wir gingen auf der dem Meer abgewandten Seite der Klippen entlang. Ein Pfad durch das Unterholz.
    »Tu dheanamh«, fragte ich sie, »was bedeutet das?«
    »Du machst es«, sagte sie. »Es war ein Befehl.« Sie hatte ihre Fassung vollständig wiedererlangt.
    »Du machst was?«
    »Das wirst du jetzt bald erfahren.«
    Ungefähr eine Stunde später, als Peg zurückkam, war es, als hätte die Auseinandersetzung überhaupt nicht stattgefunden. Es gab eine kurze Unterhaltung zwischen den beiden und Darleen, und sie begannen in völliger Stille die Kleider anzuziehen, die sie auf der Müllkippe gesammelt oder von Wäscheleinen gestohlen hatten, während Augenhöhle und die Hunde ungeduldig dasaßen und warteten.
    Dann kam Peg zu mir.
    »Komm«, sagte sie. »Wir werden dich sauber machen.«
    »Wir gehen raus?«
    »Ja. Steh auf.«
    »Wohin nach draußen?«
    »Es gibt da einen Fluss. Mit einem Becken. Wirst du Ärger machen? Müssen wir dich tragen?« Sie band meine Beine los.
    »Nein. Verdammt, nein.«
    Ich hatte mich seit einer Woche nicht gewaschen. Man kann sich nicht vorstellen, wie sehr man die tägliche Dusche vermisst, bis sie einem verwehrt wird. Ich roch schlimmer als die Hunde – die wenigstens gelegentlich ins Meer sprangen.
    Die Frau war schon angezogen und wartete am Eingang der Höhle. Shorts und ein schlichtes schwarzes T-Shirt. Auf Pegs T-Shirt stand MYSTIC SEAPORT und auf Darleens vorn ODYSSEY FANTASY WRITING WORKSHOP und hinten SECHZEHN SELTSAME KRÖTEN IN EINEM SELT SAMEN GARTEN .
    Man fragte sich, woher sie das hatten.
    Wir stiegen auf einem Pfad über Schiefer und Geröll die Klippe hinauf und erreichten dort einen weiteren Pfad, der bergab durch Gestrüpp und hohes Gras führte. Die Hunde und Augenhöhle liefen voraus. Ich ging neben Peg, blinzelnd im ungewohnten Sonnenlicht, hinter Darlin, die den kleinen Adam trug, und die Frau heftete sich an meine Fersen.
    Aus vielerlei Gründen hatte ich nicht vor, einen Fluchtversuch zu wagen. Zum einen war mir klar, dass sie das Gelände viel besser kannten als ich, zum anderen war ich nicht gerade sicher auf den Beinen, nachdem ich mich eine Woche lang kaum bewegt hatte. Außerdem trugen Peg und die Frau Gürtel. Und in beiden Gürteln steckte ein äußerst scharfes Messer.
    Ich hörte den Fluss, lange bevor ich ihn sah. Ein erfrischendes Geräusch. Ein sauberes Geräusch. Ganz anders als das gleichmäßige Plätschern und Dröhnen der Brandung. Das Meer erschien mir abgeschlossen, in sich ruhend, gegen den Küstenwall tosend, während der Fluss frei floss.
    »Können wir kurz anhalten?«, fragte ich. »Geht das?«
    »Warum?«
    »Das, äh, fließende Wasser.«
    Peg sah mich kurz an, dann lachte sie.
    »Du musst pinkeln. Klar, geh ruhig. Aber nicht zu weit weg.«
    Sie rief etwas in ihrer Sprache, und Augenhöhle und die Hunde drehten um, und sie warteten, während ich ein Stück ins Gebüsch stolperte und – wie mein Onkel zu sagen pflegte – eine Erfrischungspause einlegte. Und das ging mit einem Gefühl der Freiheit einher, nachdem ich eine Woche lang in eine angeschlagene Porzellanschüssel gepinkelt und geschissen hatte. Bis auf die gefesselten Hände fühlte es sich fast normal an.
    »Warum die Kleider?«, fragte ich sie, als wir weitergingen. »Normalerweise geht ihr ohne, oder?«
    »Nur eine kleine Vorsichtsmaßnahme. Aus der Ferne, wie sehen wir da aus? Angezogen, meine ich. Wie eine Familie, die einen Spaziergang durch den Wald macht, sonst nichts.«
    »Aber wenn jemand näher kommt …«
    »Wenn jemand näher kommt, ist das sein Problem.«
    Sie ist ungeheuer selbstsicher, dachte ich. Es könnten Jäger hier draußen sein. Leute mit Gewehren. Ich fragte sie nach Gewehren.
    »Wir haben welche benutzt«, sagte sie. »Die Frau kann mit allem jagen, auch mit einer Schrotflinte oder einer Büchse. Aber die Dinger sind einfach zu laut. Und die Munition ist ein Problem. Wir können ja schlecht einfach in einen Waffenladen schlendern und nach einer Schachtel Kaliber zwölf fragen, oder?«
    »Warum nicht?«
    Sie grinste. »Kein Ausweis. Nicht mehr.«
    »Und wegen Jägern macht ihr euch keine Sorgen?«
    »Mein Vater war Jäger. Sie hat ihn getötet. Seine Eingeweide waren in der ganzen Scheune verteilt, hat
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