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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
Autoren: Thomas Müller
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angeblich zu Nötigung und Erpressungen kommen. Lächerlich! Woher will der Psychologe denn das wissen? Der behauptet allen Ernstes, er habe selbst mit solchen Leuten gesprochen. Niemals! Da brauche ich keinen Seelenklempner, um zu erkennen, was in jemandem vorgeht, das hat man im Blut!“
    Er musste hinaus, er konnte nicht länger hier stehen bleiben. Diese Arroganz wurde zum würgenden Griff, der sich enger und enger um seinen Hals schnürte. Er bekam bald keine Luft mehr. Wie er sich verhielt, was er tat, das musste ihnen doch allen in das Gesicht schreien! Sie mussten erkennen, dass er so weit war. Und er sah ja, dass andere auch schon so reagierten. Er erinnerte sich an die Liste, die vorgetragen wurde wie ein Einkaufszettel. Namen der „Orbits“ wurden genannt mit der das Todesurteil aussprechenden Stimme des Exekutors, der zum letzten Mal die Namen derjenigen aufrief, die dem Urteil anheimgefallen waren. Nein, das konnte nicht sein! War man denn schon so blind geworden gegenüber seinen Mitarbeitern, dass man nicht erkannte, dass man sie nicht behandeln konnte wie Maschinen? Sah man nicht mehr, was in ihnen vorging? Am liebsten hätte er laut hinausgerufen, gebrüllt: „Es ist zu schnell. Ich habe nicht mehr die Möglichkeit, mitzuhalten.“ Aber wenn er es täte, würde man ihn als Ersten auf das symbolische Schafott führen.
    „Unterstützende Maßnahmen zur Bewältigung einer neuen Herausforderung.“
    Jetzt gab es kein Zurück mehr, er musste handeln, er wollte seine Kinder nicht länger vertrösten. Er wollte wieder in den Spiegel schauen können. Er hatte alles getan, was man tun konnte. Er war nicht mehr bereit, sich Zug um Zug filetieren zu lassen. Er hatte Wissen und wollte arbeiten. Er hatte Erfahrung und wollte sie einbringen. Er wollte junge Leute ausbilden und ältere Mitarbeiter dabei unterstützen, glücklich das zu erreichen, was sie sich redlich verdient hatten, die Pension. Stattdessen hatte man begonnen, Menschen wie Weltraumkugeln zu benennen, sie als unnütz, unbrauchbar oder als nicht mehr notwendig zu bezeichnen. Alles war neu. Das Alte war schlecht und vergessen und offenbar war die Leistung nur dann etwas wert, wenn sie dreimal so schnell durchgeführt wurde wie früher. Die Charts gingen nur noch nach oben und ein einziger Fehler wurde lächelnd zur Kenntnis genommen, aber eben nur einmal.

47.

    Im Büro angekommen, richtete er alle Unterlagen her. Er säuberte seinen Schreibtisch, er goss sogar noch einmal die Blumen. Er ging in den Konferenzraum, den Schlüssel hatte er sich rechtzeitig besorgt. Er überprüfte die technischen Geräte, die er brauchen würde, um seine Präsentation durchzuführen. Er malte sich aus, wer wo sitzen würde. Er überprüfte, ob die Türe verschlossen war. Dann zog er sie einmal heraus, ein zweites Mal, ein drittes Mal. Sie lag schwer in seiner Hand, aber sie gab ihm Macht. Wenn nur ein einziger erniedrigender Satz fiel, wenn die Fistelstimme nur ein einziges Mal den Versuch unternahm, zynisch zu grinsen, ja wenn nur ein einziges Mal das Wort „Orbit“ durch seinen Kopf schoss, dann würden sie schon sehen, wie weit sie kämen. Er erinnerte sich an die Geschichte eines gewissen Friedrich Leibacher, der am 27.9.2001 in das Zuger Parlament eingedrungen war. 14 Menschen mussten ihr Leben lassen. Ja, sie alle hatten nicht verstanden, was passiert war. Er hatte sich sogar zusätzliche Informationen besorgt und das Leben von Leibacher studiert.
    Es war ja so logisch, dass gekommen war, was kommen hatte müssen. Es war ja so logisch, dass jetzt kam, was er schon hundertmal gedanklich durchgespielt hatte. Er als prinzipientreuer Mensch wollte seine Sache gut machen. Er ließ sich Angaben machen, wie es andere taten, machte darauf aufmerksam, dass er gewisse Arbeitsschritte immer und immer wieder gleich machen würde. Er hatte seine Prinzipien. So wie bei ihm gab es Umstände, die Leibacher kränkten, zum Beispiel eine Diskussion mit einem Busfahrer. Er beschwerte sich darüber, machte Eingaben bei Gericht, in der Öffentlichkeit, er schrieb Briefe, aber man negierte ihn, so wie ihn auch. Man nahm ihn nicht mehr ernst und aus der Prinzipientreue wurde seine Intoleranz. Er war nicht mehr bereit zu verzeihen. Er wollte, dass andere ebenfalls so handelten wie er. Sie sahen nicht, dass er sich verändert hatte. Sie nahmen ihn nicht ernst. Er schrie das, was er wollte, förmlich hinaus durch sein Verhalten, so wie er sich gab. Er erklärte es ihnen, aber sie
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