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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
Autoren: Thomas Müller
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einfach nicht mehr sehen. Seine Kinder sah er überhaupt nicht mehr, aber er hatte ja noch die Wochenenden.
    Einmal, nur ein einziges Mal, hatte er zu später Stunde ein Schreiben abgefasst an den Chef, mit dem er noch vor ein paar Jahren lachend über Problemstellungen im Betrieb hinweggesehen hatte. Ja, er hatte ihn beraten, er wurde damals auch immer wieder gern herangezogen. Der Chef, der ihm noch persönlich gratuliert hatte zu seiner Frau. Er hatte sich erkundigt, wie es den Kindern ging. Aber das war Geschichte. In dem Schreiben schrieb er alles nieder, was er als unrichtig empfand. Er brachte seinen Unmut zum Ausdruck, aber bald wurde ihm klar, dass er dieses Schreiben nicht mit seinem Namen versehen durfte. Er änderte ein paar Sätze, ein paar Gedanken. Er versuchte sich zu tarnen, er baute ein paar Informationen ein, die er gar nicht haben durfte, einzig und allein, um von sich abzulenken. Niemals wäre er früher auf die Idee gekommen, ein anonymes Schreiben an irgendjemanden zu richten. Aber es ging nicht mehr anders. Er musste seinem Ärger Luft machen, er musste zum Ausdruck bringen, dass es so nicht mehr ging. Er beschuldigte niemanden, er zeigte nur auf. Kurze Zeit verwarf er sogar den Gedanken, das Schreiben abzuschicken, aber das hatte er schon einmal getan. Nein, diesmal musste es geschehen. Er musste alles niederschreiben und es gab ihm ein bisschen Macht in seiner Ohnmacht, dass er hinzufügte … und wenn sich nichts ändert, wird es grauenvoll enden … Er konnte nicht sagen, dass er zufrieden wäre, aber es gab ihm für kurze Zeit Erleichterung. Er hoffte, dass man seinen Schrei verstehen würde, aber es passierte nichts. Das Schreiben musste angekommen sein, daran gab es gar keinen Zweifel.
    Wochen später wunderte er sich darüber, dass sein „Stellvertreter“ alleine zu einer streng vertraulichen Sitzung einberufen wurde. Nur aufgrund seines verstärkten Drängens und mit der deutlichen Bemerkung, er sei immer noch Leiter dieser Einheit, bekam er zaghaft die Informationen, worum es bei dieser Sitzung ging. Der junge Mann, jetzt schon etwas fester in seinem Auftreten, ja, man konnte sogar von einer gewissen Präpotenz und Arroganz sprechen, teilte ihm mit, man habe einen externen Berater beigezogen, der habe ein paar Stunden über Workplace Violence gesprochen, gewalttätige Handlungen am Arbeitsplatz. Dieser Experte habe eine Studie von Price, Waterhouse & Coopers zitiert, in der stehe, dass nahezu jedes zweite deutschsprachige Unternehmen in den letzten zwei Jahren Opfer eines Falles von Wirtschaftskriminalität geworden sei. Es habe Schadenssummen bis in den dreistelligen Millionenbereich gegeben. Allerdings gebe es immer wieder gleiche Merkmale, um Mitarbeiter zu erkennen, die in den Bereich von Workplace Violence vordringen.
    Er hörte interessiert zu. Das erste Mal, dass er seinem Stellvertreter wirklich zuhörte. Er war entsetzt, was ihm dieser alles berichtete: dass man inzwischen Informationen und Erfahrungen über solche Fälle hätte, dass man Leute daran erkennen würde, wie sie sich im Verhalten gegenüber anderen Mitarbeitern oder sich selbst gegenüber zeigen würden. Der Experte habe ihnen mitgeteilt, dass sich diese Mitarbeiter dazu veranlasst sähen, mehr und mehr in die Randzeiten des üblichen Arbeitsblockes auszuweichen, erste anonyme Schreiben abzufassen, sich abwechselnd verstärkt und dann wiederum überhaupt nicht einzubringen, ein wechselhaftes Verhalten an den Tag zu legen, außerhalb der Institution zu beginnen, negativ über die Firma zu sprechen.
    Er erschrak. Beschrieb ihm nicht gerade sein angeblicher Stellvertreter, was er selbst alles tat? Würde man jetzt wissen, was in ihm vorging? Wie würde man jetzt darauf reagieren? Er konnte ja nicht zu neugierig sein. Doch auch ohne Nachfrage teilte ihm sein Gesprächspartner mit, was der Experte geraten hätte. Lächelnd, mit einem geradezu zynischen Unterton bemerkte er: „Diese Psychologen. Brauchen ja selbst jemanden, der ihnen weiterhilft. Du glaubst gar nicht, was er uns und dem Chef empfohlen hat: mehr auf die Mitarbeiter einzugehen und ab und zu die Frage zu stellen: ‚Können wir helfen?‘ Diese Narren haben ja keine Ahnung von Wirtschaft, dass es jetzt anders läuft. Workplace Violence, wie das schon klingt! Hat der angebliche externe Experte nicht tatsächlich behauptet, dass es Warnhinweise von Workplace Violence gibt? Anonyme Schreiben, nicht nachvollziehbare E-Mails, Mobbing, und dann soll es
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