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Bestialisch

Titel: Bestialisch
Autoren: J.A. Kerley
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bin Sheldon Waltz vom NYPD. Freunde nennen mich Shelly, und vielleicht tun Sie das ja auch. Wie war Ihr Flug?«
    In seiner Stimme schwangen Wärme und Aufrichtigkeit mit, was mich veranlasste, auf Höflichkeiten zu verzichten und mit der Wahrheit herauszurücken. »Ich hasse Flieger, Shelly. Mir wäre es lieber gewesen, wenn man mich mit einer Kanone hier hochgeschossen hätte.« Ich legte eine kurze Pause ein. »Werden Sie mir erzählen, worum es überhaupt geht?«
    Er seufzte und klopfte mir auf die Schulter. Selbst seine Berührung wirkte bekümmert. »Um ehrlich zu sein, ich hatte gehofft, Sie könnten mir das sagen.«
    In dem Lagerhaus roch es nach abgestandenem Wasser und frischem Rattenkot. Wir gingen über Holzbohlen zu einem Lastenaufzug. Ein Fingerabdruckspezialist bestäubte die Wände, von denen die Farbe abblätterte, mit Puder. Zuerst glaubte ich, dass der Spezialist mich schief musterte, doch dann merkte ich, dass ich mit meiner Einschätzung falschlag. Sein Interesse galt Waltz. Ein junger Mann, der eine Jacke mit dem Aufdruck TECHNISCHER DIENST trug und mit einem kleinen Videomonitor auf dem Schoß im Schneidersitz auf dem Boden saß, beäugte Waltz ebenfalls. Er erweckte den Eindruck, als stecke er voller Tatendrang und warte nur darauf, dass ihm endlich jemand sagte, was er tun sollte.
    Rechter Hand gab es einen Flur, der in den angrenzenden Raum führte. Jemand hatte die alten Neonröhren an der Decke eingeschaltet, die laut surrten und dem Ort eine gespenstische Atmosphäre verliehen. Drinnen standen drei Detectives. Das Alphatier, eine Frau Anfang dreißig, herrschte ihre Untergebenen an, die eilfertig nickten. Sie hatte ein ovales Gesicht, schmale Hüften und dunkle, streng zurückgekämmte Haare, die von einem Gummiband zusammengehalten wurden. Effektiv und aerodynamisch. An der Brusttasche ihres rostfarbenen, schlichten Kostüms hing eine goldene Polizeimarke. Sie hatte kluge Augen und die durchtrainierte Statur einer Tänzerin.
    Nach einer kleinen Weile richtete die Frau den Blick auf mich und musterte mich so angriffslustig, als hätte ich ihr in die Suppe gespuckt und wäre lachend davongelaufen. Ich winkte ihr freundlich zu, woraufhin sie sich umdrehte und mit ihren Marionetten im Schlepptau den Raum verließ. Ich hörte, wie einer der Männer das Wort Landei murmelte.
    »Wer war das, Shelly?«, fragte ich, als wir in den Lastenaufzug – einen Drahtkäfig mit festem Boden – traten. Waltz drückte einen Knopf, und wir ruckelten nach oben.
    »Ist im Moment unwichtig.«
    Der Fahrstuhl kam ruckartig zum Stehen. Wir traten in einen großen Raum mit einem Labyrinth aus halb fertigen Rigipswänden. »Das Gebäude wird in Lofts umgewandelt«, erklärte Waltz. »Als der Vorarbeiter um sechs Uhr früh auftauchte, um die Arbeitspläne für die Trockenbauer vorbeizubringen, hat er das Opfer gefunden. Der Vorarbeiter ist schon älter und leidet an Angina Pectoris. Der Anblick war zu viel für sein Herz. Um zu verhindern, dass er auch noch den Löffel abgibt, haben die Sanitäter ihn in die nächste Notaufnahme gebracht.« Waltz deutete mit dem Kinn auf eine andere Tür. »Das Opfer ist dort hinten.«
    Ich folgte Waltz in den abgetrennten Raum, der nach Fertigstellung schätzungsweise fünfzehn Meter lang und sieben Meter breit sein würde. Im hinteren Teil lag auf zwei Sägeböcken eine Sperrholzplatte und darauf ein zugedecktes Gebilde, bei dem es sich um einen menschlichen Körper handelte.
    »Wegen der Kälte zeigt der Leichnam noch keine Spuren der Verwesung«, meinte Waltz, als er meine Irritation bemerkte. »Macht die Sache einfacher.«
    »Für wen?«
    »Für Sie.«
    Auf dem Boden war von der Spurensicherung vorsichtshalber ein Plastikläufer ausgelegt worden, damit keine Beweise vernichtet wurden. Neben dem Läufer entdeckte ich eine Haarsträhne, eine dünne braune Locke. Daneben lag ein weißes Knäuel. Ich ging in die Hocke, schürzte die Lippen und blies vorsichtig auf die Fundstücke. Härchen stoben durch die Luft. »Unterschiedliche Haarfarben«, konstatierte ich. »Eigenartig.«
    Waltz drehte sich um. »Kommen Sie, Detective. Die Zeit drängt. Um die Details kümmert sich die Spurensicherung.«
    Da der Läufer sehr glatt war, bewegten wir uns so vorsichtig wie Männer auf einem zugefrorenen See. Als wir vor der Gestalt standen, packte Waltz einen Zipfel der weißen Decke. Ich holte tief Luft und nickte. Los. Waltz schlug die Decke zurück und präsentierte mir einen kopflosen
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