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Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection

Titel: Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection
Autoren: Uwe Klausner
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unwiderruflich hinter ihm lag, nochmals Revue passieren. Zehn Jahre war es her, seit er in die SS eingetreten war, nicht etwa aus freien Stücken, sondern weil Experten wie er dringend benötigt worden waren. Er hatte dafür büßen müssen, schlimmer, als er es sich je hätte träumen lassen. Mord und Totschlag, Gefangenschaft, Stasi-Knast – und das alles nur, weil es sich ein gewisser Herr Himmler in den Kopf gesetzt hatte, kurz vor Kriegsende noch ein paar Faustpfänder verschwinden zu lassen. Ausgerechnet er, Ole Jensen, hatte das Pech gehabt, zur Teilnahme an einem dieser Himmelfahrtskommandos verdonnert zu werden, eine Laune des Schicksals, die ihm jede Menge Scherereien, acht Jahre hinter Gittern und Erlebnisse beschert hatte, die er sein Lebtag nicht mehr vergessen würde.
    Aber damit, stellte Jensen aufatmend fest, war es jetzt vorbei. Endgültig. Vom heutigen Tage an würde ein anderes Leben beginnen, weitaus besser als dasjenige, mit dem er für immer abgeschlossen hatte.
    Völlig durchnässt, müde bis zum Umfallen und in Gedanken ausschließlich mit sich und seiner Zukunft beschäftigt, hatte Ole Jensen die Schritte, die sich vom Ufer aus näherten, nicht bemerkt, nicht einmal, als der hochgewachsene, mindestens ebenso abgekämpft und ausgelaugt wirkende Mann um die 40 direkt neben ihm stand, einen Glimmstängel ansteckte und sein Aroma mit sichtlicher Erleichterung genoss.
    »Ole Jensen, wenn ich mich nicht irre?«, fragte er geraume Zeit später, als seine Lucky Strike beinahe zu Ende geraucht war. »Tom Sydow – Kripo Berlin. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, hätte ich ein paar Fragen an Sie.«

34
    Lubjanka in Moskau | 15.40 h Berliner Zeit
     
    »Das war Andrej Antonowitsch«, sagte Lawrenti Berija, und er sagte es so, als seien die Erfolgsmeldungen, die ihm gerade übermittelt worden waren, im Grunde zu erwarten gewesen. Das wiederum war beileibe nicht der Fall, woran Georgi Malenkow, Erster Sekretär des ZK der KPdSU, keinen Anstoß nahm. Der 51-jährige, leicht übergewichtige und während der Stalin-Ära zu Amt und Würden gelangte Karrierist gab sich betont lässig, wenngleich er seinem Erzrivalen, aussichtsreichster Kandidat im Ringen um die Position des ersten Mannes im Staat, zutiefst misstraute und ihn nicht zu Unrecht verdächtigte, nach der alleinigen Macht zu streben. »Sieht so aus, als bekäme er die Lage in Ostberlin allmählich in den Griff.«
    »Bleibt die Frage, ob wir uns darüber freuen sollen oder nicht«, sinnierte Malenkow und nippte an seinem Tee.
    »Gretschko [37] hat richtig gehandelt, was denn sonst!«, empörte sich Berija, drei Jahre älter, von Geburt Georgier und nach Stalins Tod vor mehr als drei Monaten der meist gefürchtete Mann im Land. Ein Prädikat, das er seiner Funktion als Geheimdienstchef und dem Ruf verdankte, der bei Weitem rücksichtsloseste Scherge des verstorbenen Diktators gewesen zu sein. »Wo kämen wir da hin, wenn wir eine Rotte hergelaufener Konterrevolutionäre einfach gewähren lassen würden.«
    Am Fenster postiert, von wo aus er einen ungestörten Blick auf den Lubjanka-Platz und die Bronzestatue von Felix Dserschinski [38] genoss, zog es Malenkow vor, auf die martialischen Anwandlungen des kahlköpfigen Kaukasiers zunächst nicht zu reagieren. Stattdessen leerte er sein Glas, stellte es ab und wandte sich dem Porträt zu, das am Kopfende des schmucklosen Sitzungssaales hing. Noch war es nicht so weit, dass es irgendjemand, er selbst mit eingeschlossen, gewagt hätte, Stalins Konterfei zu entfernen. Dazu war die Erinnerung an den Woschd [39] noch zu lebendig, die Schrecken, Ränkespiele und tödlichen Intrigen der Vergangenheit viel zu präsent, als dass man sie einfach hätte ignorieren und anschließend zur Tagesordnung übergehen können. »Genau, Genosse Berija, wo kämen wir da hin.«
    »Ich muss schon sagen, Genosse Malenkow«, wunderte sich Berija, und bettete den Hinterkopf auf die mit einer Spitzendecke drapierte Lehne des Ledersessels, in dem er es sich gerade bequem gemacht hatte, »für meine Begriffe lässt Ihr patriotischer Elan einiges zu wünschen übrig.«
    »Der Ihrige, Lawrenti Pawlowitsch, dafür umso weniger.«
    »Wie schön, dass wir wenigstens diesbezüglich der gleichen Meinung sind«, konterte Berija geschickt, schob die randlose Brille nach unten und schärfte dem ungeliebten Verbündeten mit gestrenger Miene ein: »Sie wissen doch, Georgi Maximilianowitsch – nur dann, wenn wir beide uns einig sind, wird es uns
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