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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs
Autoren: Sabine Thiesler
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Kinderspiel gewesen.
    Halte durch!, redete ich mir unentwegt selbst eindringlich zu. Du darfst jetzt nicht schlappmachen! Dann ersaufen wir nämlich beide! Du bist doch ein Bernhardiner! Du schaffst das! Bernhardiner schaffen alles!
    Dabei konnte ich mit dem Stückchen lebendigem Fell im Maul noch nicht mal richtig die Zähne zusammenbeißen.
    Und dann endlich hatte ich es wirklich geschafft!
    Als ich unmittelbar vor dem Haus wieder festen Boden unter
den Pfoten hatte, war ich so erleichtert und dankbar wie noch nie in meinem Leben. Meine Beine waren ganz wacklig, aber ich schleppte mich zur Tür und zwängte mich mit Tinka zusammen durch die Katzenklappe. Die war für mich eigentlich schon viel zu eng, aber mit dem klatschnassen Fell war ich dünner als sonst. Jedenfalls funktionierte es irgendwie.
    Und was dann geschah, war unbeschreiblich.
    Kaum waren wir drinnen, da stürzten Minna und der lange Hein fast gleichzeitig auf uns zu. Minna nahm Tinka auf den Arm, und der lange Hein mich.
    Minna gluckste unentwegt: »Tinka, mein Mäuschen, da bist du ja!«, und der lange Hein brummte gerührt: »Wat biste doch für ein feiner Kerl, Bobby!«
    Ole zündete sich eine Pfeife an und grinste. »Da hast du dir ja ’nen echten Seehund angelacht, Hein. Is’ ja nich’ zu fassen! Planscht der bei dem Schietwetter da draußen rum und rettet kleine Katzen! Und ich dachte immer, Hunde können Katzen nicht ausstehen.«
    Dass ich nur eine Katze gerettet hatte und nicht gleich einen ganzen Wurf, war Ole offenbar entgangen, aber das störte mich nicht. Ich war der Held des Abends, wurde genauso wie Tinka liebevoll abgetrocknet und bekam als Dankeschön einen Leberwurstzipfel. Er schmeckte einfach köstlich!
    Irgendwann wurde es ruhig im Haus. In der Diele schliefen die Kühe, Schafe und Ziegen, die Hühner saßen auf der Gardinenstange und hatten den Kopf ins Gefieder gesteckt, und ich kroch zu Struppi unter die Couch.
    Er war noch wach, und wir flüsterten miteinander.

    »Das hast du ja astrein hingekriegt, Kollege«, raunte Struppi. »Wirklich nicht übel. Aber – für einen Bernhardiner ist so was natürlich auch relativ einfach. Du wiegst ja jetzt schon viel mehr als ich, obwohl du noch so ein junger Spund bist. Mich hätten die Wellen einfach weggespült, da könnte ich gar nichts gegen machen. Während du da ziemlich locker schwimmst.«
    »Klar, ich hab’s da ziemlich leicht. War alles kein großes Problem.«
    »Eben.« Struppi war offensichtlich froh, dass ich ihm nicht widersprach, und ich ließ ihn einfach reden. Es war eben schwer für ihn zu verkraften, dass ich und nicht er Tinka gerettet hatte. Vielleicht schämte er sich auch ein bisschen, dass er es nicht mal versucht hatte.
    Er sagte mir noch kurz Gute Nacht, und dann schlief er auch schon.
    Ich lag noch eine Weile wach. Es war ein verdammt aufregender Tag gewesen, und ganz, ganz heimlich war ich richtig stolz auf mich.
    Als ich mich wohlig ausstreckte, stieß ich mit der Pfote an etwas, was sofort in Bewegung geriet und auf mich zurollte. Ein Ei! Wahrscheinlich hatte es eines der Hühner gelegt, während ich draußen war.
    Ob Struppi es einfach noch nicht gefunden oder aber für mich aufgehoben und mir absichtlich hingelegt hatte – keine Ahnung.
    Auf jeden Fall fraß ich es samt der Schale genüsslich auf. Und ich war mir sicher, dass Struppi nur so tat, als ob er schliefe. Denn mein Schmatzen war eigentlich nicht zu überhören.

WIEDERSEHEN MIT RUDI
    Wir blieben noch zwei Tage auf der Hallig, und Menschen und Tiere kamen friedlich miteinander aus. Wahrscheinlich spürten alle, dass sie aufeinander angewiesen waren. Struppi taute langsam auf, und wenn wir nicht schliefen oder fraßen, redeten wir, als würden wir uns schon jahrelang kennen. Ich erzählte ihm meine ganze Geschichte, von den Küsters und meiner Flucht in letzter Minute, von Robbie Williams am Strand und von Maike und ihrer Familie. Struppi war ganz gierig, alle Geschichten zu hören, denn viel Besuch und Abwechslung gab es auf so einer Hallig nicht. Da kam zweimal in der Woche der Postbote, und das war’s dann. Im Sommer kamen ein paar Feriengäste, aber auch die waren selten. Meistens war Struppi mit Minna und den Katzen allein, weil Ole von Montag bis Freitag in einer Autowerkstatt auf dem Festland arbeitete und nur am Wochenende nach Hause kam.
    So schlimm war das auch gar nicht mit Oles Kraft. In den zwei Tagen zerquetschte er nur eine Apfelsafttüte, ein dünnes Wasserglas und ein Ei, das
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