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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs
Autoren: Sabine Thiesler
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weitere Tasse Kaffee ein und schüttete ein wenig frische, warme Kuhmilch dazu.
    »Wenn sie bis jetzt nicht hier ist, kommt sie nicht mehr«, brummte Ole. »Struppi muss raus, sie suchen.«
    Ich drehte mich um, um zu sehen, was Struppi von dieser Aussicht hielt, aber Struppi war verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Wahrscheinlich hatte er sich unter dem Bett oder im Schrank versteckt.
    Wir Hunde können Katzen nicht besonders leiden, weil man bei denen vor Überraschungen nie sicher ist. Bei Küsters wollte ich mal die Nachbarskatze begrüßen und hatte meine Nase durch den Zaun gesteckt, um sie zu beschnuppern. Aber sie schnupperte nicht etwa zurück, sondern schlug ohne Vorwarnung mit der Tatze so fest zu, dass ich fast eine ganze Woche lang mit einer blutigen Nase herumlaufen musste. Und auch Mama sagte immer: »Nimm dich vor Katzen in Acht. Am
besten du gehst ihnen aus dem Weg, dann gibt’s am wenigsten Schwierigkeiten.«
    Das alles war aber noch lange kein Grund, Ole und Minna und auch der kleinen Tinka nicht zu helfen.
    Niemand achtete auf mich, als ich mich mühsam durch die Katzenklappe zwängte und plötzlich vor der Haustür im Sturm stand.
    Mittlerweile war es stockdunkel. Nur der Mond erhellte die Hallig notdürftig. Der Wind pfiff, dass ich mich kaum aufrecht halten konnte. Mit den Beinen stand ich bereits knietief im Wasser. Ich zitterte vor Kälte und Angst und wäre am liebsten sofort wieder umgekehrt, um mich bei all den anderen Tieren in der warmen Stube zu verkriechen, aber das hätte ich mir wahrscheinlich nie verziehen. Irgendwo da draußen war eine kleine Katze in Gefahr, die sicher noch viel mehr Angst hatte als ich.
    Vielleicht war Tinka ja gar nicht weit weg. Also beschloss ich, erst einmal den Bereich ums Haus herum genauer abzusuchen, beziehungsweise abzuschnuppern, denn sehen konnte ich ja nicht viel. Aber ich hatte noch den Geruch der anderen Katzen in der Nase.
    Die Nordsee war überall. Rund ums Haus tobte das Meer. Obwohl mir das Wasser nur bis zum Bauch ging, schäumten die Wellen und spritzten gegen alles, was auf dem Grundstück herumstand: den kleinen Trecker, den alten Pferdekarren und den Wellblechschuppen.
    Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, was alles passieren konnte, und lief einfach durchs Wasser. Auf diese Weise
konnte ich nicht wegfliegen, ich konnte nur weggetrieben werden. Und dabei merkte ich, dass ich hin und wieder sogar schwamm. Mama hatte immer gesagt, Bernhardiner könnten nicht schwimmen, aber ich konnte es! Ich lief durchs Wasser und bewegte mich genauso vorwärts wie an Land. Es war nur viel anstrengender. Ohne Minnas Abendbrot wäre das völlig unmöglich gewesen.
    Immer wieder blieb ich stehen und hielt die Nase in die Luft. Jedoch ohne Erfolg. Es roch nach salziger Luft und nach Fisch, nach Seetang und Muscheln und nach einem aufgeweichten Misthaufen – aber nicht nach kleiner Katze.
    In der Nähe des Hauses war sie also nicht. Am liebsten hätte ich sie gerufen, aber ich wusste, dass auch das zwecklos war, denn durch mein Bellen hätte sie sich nur erschreckt und sich erst recht nicht aus ihrem Versteck gewagt.
    Ich musste also weiter weg. Über die stürmische Insel.
    Es war die Hölle.
    Langsam arbeitete ich mich mit meinem Schwimm-Lauf-Stil auf der Deichstraße weiter vorwärts in Richtung offenes Meer. Wenn mich jetzt eine Böe oder eine Welle erwischte und hinaustrieb, war ich verloren.
    Ich fragte mich ernsthaft, ob ich verrückt war. Vielleicht war die kleine Tinka längst tot, und ich setzte hier mein Leben aufs Spiel. Schließlich war ich kein Seehund wie Robbi und hatte im Wasser nichts verloren.
    Obwohl es Sommer war, war die Nordsee eiskalt. Mittlerweile hatte ich mehr Angst zu erfrieren als zu ertrinken. Zum Teufel mit den Katzen. Sie machten alle möglichen Mätzchen,
ohne nachzudenken, und brachten sich ständig in ausweglose Situationen. Bei Nachbarn von den Küsters in Lüttelbüttel, zwei Häuser weiter, war so ein dummes Vieh mal auf einen riesigen Apfelbaum geklettert und konnte dann nicht mehr herunter. Die Katze hatte sich ganz oben an einem dünnen Ast festgeklammert und schrie stundenlang. Schließlich musste sie die Feuerwehr mit einer endlos langen ausziehbaren Leiter herunterholen. Das fand sogar meine Mutter unmöglich, und sie erzählte uns, dass sie einmal von einer anderen Katze gehört hatte, die in einen Mülleimer gesprungen war, um eine Käserinde zu fressen, aber der Mülleimer hatte einen automatisch
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