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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs
Autoren: Sabine Thiesler
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Weihnachten, oder macht ihr im Wohnzimmer ’nen Zoo auf?«
    »Wir kriegen heute Nacht ’ne Sturmflut, du Pappkopp!«, erklärte Struppi fast ein bisschen ärgerlich über meine Frage. »Das heißt ›Land unter‹. Die ganze Hallig wird überspült, da guckt am Ende nur noch das Haus aus dem Wasser raus. Würden die Kollegen im Stall bleiben, würden sie alle jämmerlich ersaufen. Kapiert?«
    Ich schwieg beeindruckt.
    »Ole und Minna haben kein Problem damit, wenn alle irgendwo in der Diele und im Wohnzimmer stehen. Das macht zwar ’ne Menge Dreck, aber was soll’s. Kann man ja sauber machen.«

    »Moin, moin, Hein!«, brüllte der große Mann und schlug Hein freundschaftlich, aber kräftig auf die Schulter, sodass er vornüberkippte. Das war eindeutig der Baumstämmewerfer Ole. »Du bist ja wohl völlig verrückt geworden, hier bei dem Schietwetter noch durch die Gegend zu schippern. Aber hast ja noch mal Glück gehabt, was?«
    Hein nickte. »Wir kriegen Land unter?«
    »Du sagst es. Kommt alles zusammen. Der Sturm, die Flut und Vollmond. Dann wird’s besonders schlimm. So schnell kannst du hier nicht weg. Auf zwei, drei Tage musst du dich schon einrichten.«
    Der lange Hein nickte schon wieder. Begeistert sah er nicht aus. Ich glaube, er war sogar regelrecht entsetzt. Drei Tage mit einem ganzen Bauernhof in einer Stube waren nicht unbedingt das, was er sich vorgestellt hatte, als er heute Morgen zum Fischen aufs Meer gefahren war.
    So wie die Menschen ja immer glaubten, es sei lebensbedrohlich, mit Tieren in einem Raum oder in einem Bett zu schlafen. Ich hatte da etliche Diskussionen mitbekommen, als meine Geschwister abgeholt wurden und Frau Küster den neuen Besitzern immer wieder eingeschärft hatte, die Bernhardiner auf keinen Fall im Bett schlafen zu lassen . Es war ja gerade so, als hätten wir die Pest. Obwohl – so eine Kuh direkt neben dem Bett war natürlich noch einmal etwas ganz anderes.
    Die Tiere hatten sich immer noch nicht beruhigt, und es war ein Geblöke, Gemuhe und Gegacker, dass man sein eigenes Bellen nicht mehr verstehen konnte. Leider konnte ich überhaupt keine Fremdsprachen. Ich war ja noch viel zu jung und
hatte nie eine Hundeschule besucht, daher verstand ich kein Wort. Robbie Williams hatte ich verstanden, weil er ja ein See hund war. Er sprach zwar einen gescherten Meeresdialekt, aber das war okay, damit konnte ich mich verständigen, aber hier war Bahnhof. Ich war voll auf Struppi und seine Übersetzungskünste angewiesen.

    Während ich mir Sorgen um mich und alle Leute und alle Tiere machte und mich vor der kommenden Sturmflutnacht schrecklich fürchtete – immerhin konnte es ja sein, dass das Haus komplett überspült wurde –, schien Struppi das alles gar nicht zu stören. Er blieb vollkommen gelassen und fing sogar an, leise zu schnarchen.

WO IST TINKA?
    Ich musste wohl auch eingenickt sein, denn irgendwann schreckte ich hoch, weil die Hühner auf die Gardinenstange flatterten. Und da bemerkte ich, wie sich eine kleine Klappe innerhalb der Haustür öffnete und drei klitschnasse Katzen hereinkrochen. Sie blieben wie elektrisiert stehen, musterten mich argwöhnisch und verschwanden sofort unter der Couch. Offensichtlich hatten sie keine Angst vor dem ganzen Zoo um mich herum, sondern nur vor mir.
    Das fand ich großartig.
    Minna hatte registriert, dass die Katzen nach Hause gekommen waren, und sie unterbrach besorgt das Gespräch zwischen Ole und dem langen Hein.
    »Ole«, sagte sie mit wackliger Stimme. »Tinka ist nicht da.«
    Ole zog eine Augenbraue hoch, was ich faszinierend und todschick fand. Es sah nachdenklich, überrascht und aufmerksam zugleich aus.
    »Sie ist doch noch so klein, und sie ist nie allein unterwegs. Immer nur mit den andern. Dass die drei ohne sie nach Hause gekommen sind, muss einen Grund haben. Und ich mach mir große Sorgen.«

    Eine Kuh schnaufte. Vielleicht hatte sie verstanden, was Minna gesagt hatte.
    Minna holte sich einen Eimer und begann die Kuh zu melken. Ich hatte große Lust, die Milch direkt aus dem Eimer zu saufen, aber ich wollte mich nicht unbeliebt machen.
    »Donner und Doria!«, stöhnte Ole. »Was machen wir denn jetzt? Ich kann doch nicht die ganze Insel nach dieser winzigen Katze absuchen!«
    »Nein. Das ist viel zu gefährlich«, stimmte ihm Minna zu und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Ich war sicher, dass sie weinte.
    »Sie wird schon noch kommen«, tröstete sie der lange Hein. Er stand auf, goss sich eine
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