Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
wie das Fleisch, der Kaffee, die Butter und die Kleidung. Um aber auf Herrn Six zurückzukommen, so schloß ich aus seinem Äußeren nicht, daß er vor lauter Kummer in seinen Kleidern schlief. Nein, ich kam zu dem Schluß, daß er einer dieser exzentrischen Millionäre sei, von denen man gelegentlich in der Zeitung liest: Sie gönnen sich nichts, und in erster Linie dadurch kommen sie zu ihrem Geld.
    « Sie wurde kaltblütig erschossen", sagte er bitter. Ich sah voraus, daß es eine lange Nacht werden würde. Ich holte meine Zigaretten aus der Tasche.
    « Was dagegen, wenn ich rauche?" fragte ich. Bei diesen Worten schien er zu sich zu kommen.
    « Entschuldigen Sie, Herr Gunther», seufzte er. « Ich vergesse meine gute Kinderstube. Möchten Sie einen Drink oder etwas Ähnliches?» Das « oder etwas Ähnliches» hörte sich nicht übel an. Ich dachte an ein Himmelbett, zum Beispiel, bat aber lieber um einen Mokka. « Fritz? »
    Schemm rührte sich auf dem großen Sofa. « Danke, bloß ein Glas Wasser», sagte er bescheiden. Six zog am Klingelzug und wählte dann aus dem Kästchen auf dem Tisch eine dicke, schwarze Zigarre. Er bedeutete mir, Platz zu nehmen, und ich ließ mich, Schemm gegenüber, in das andere Sofa sinken. Six entzündete eine dünne Wachskerze, brannte sich seine Zigarre an und nahm neben dem Mann in Grau Platz. Hinter ihm öffnete sich die Tür der Bibliothek, und ein junger Mann um die Fünfunddreißig betrat den Raum. Eine randlose Brille, sorgsam auf die Spitze seiner breiten, beinahe negroiden Nase gesetzt, bildete einen Kontrast zu seiner athletischen Figur. Er nahm die Brille ab und starrte verlegen erst mich, dann seinen Arbeitgeber an.
    « Wünschen Sie, daß ich an dieser Sitzung teilnehme, Herr Six?» Seine Stimme hatte einen unmerklichen Frankfurter Akzent.
    « Nein, alles in Ordnung, Hjalmar», sagte Six. « Legen Sie sich schlafen, seien Sie ein guter Junge. Vielleicht könnten Sie Farraj bitten, uns einen Mokka und ein Glas Wasser zu bringen und für mich das Übliche.»
    « Hm, sehr wohl, Herr Six.» Abermals blickte er mich an, und ich kam nicht dahinter, ob es meine Anwesenheit war, die ihn beunruhigte, oder etwas anderes. Also nahm ich mir vor, mit ihm zu sprechen, sobald sich die Gelegenheit bot.
    « Da wäre noch etwas», sagte Six und drehte sich auf dem Sofa herum. «Bitte, erinnern Sie mich daran, daß ich morgen als erstes die Vorkehrungen für die Beerdigung mit Ihnen durchgehe. Ich möchte, daß Sie sich um alles kümmern, während ich fort bin.»
    «Sehr wohl, Herr Six.» Und er wünschte uns gute Nacht und verschwand.
    «Also, Herr Gunthep>, sagte Six, nachdem sich die Tür geschlossen hatte. Während er sprach, behielt er die schwarze Zigarre im Mundwinkel, so daß er wie ein Marktschreier aussah und seine Stimme sich anhörte wie die eines Kindes mit einem Bonbon im Mund. «Ich muß mich dafür entschuldigen, daß ich Sie zu dieser unchristlichen Zeit herbringen ließ; aber ich bin ein vielbeschäftigter Mann. Was jedoch am wichtigsten ist, das müssen Sie verstehen: Ich bin auch ein Mann, der keine Öffentlichkeit wünscht.»
    «Trotzdem, Herr Six», sagte ich, «muß ich von Ihnen gehört haben.»
    «Das ist sehr wahrscheinlich. In meiner Position muß ich bei vielen Anlässen den Schirmherrn spielen und viele wohltätige Einrichtungen fördern - Sie wissen, wovon ich spreche. Reichtum hat seine Verpflichtungen.»
    Ein Plumpsklosett auch, dachte ich. Ich sah voraus, was kommen würde, und gähnte innerlich. Aber ich sagte: «Das will ich gern glauben», mit derart übertriebenem Mitgefühl, daß er sich veranlaßt sah, einen kurzen Augenblick innezuhalten, ehe er mit den abgedroschenen Phrasen fortfuhr, die ich schon so oft gehört hatte. «Notwendige Diskretion» und «keine offizielle Untersuchung meiner Privatangelegenheiten » und «Bewahrung absoluter Vertraulichkeit» etc., etc. Das bringt mein Beruf mit sich. Die Leute erzählen dir immer, wie du ihren Fall zu behandeln hast, beinahe so, als ob sie dir nicht ganz trauten, fast so, als müßtest du dir andere Maßstäbe zulegen, um für sie zu arbeiten.
    «Wenn ich mit weniger Diskretion mehr herausschlagen könnte, hätte ich's schon vor langer Zeit versucht», sagte ich ihm. «Aber in meinem Gewerbe ist Redseligkeit schlecht fürs Geschäft. So etwas spricht sich herum, und eine oder zwei gutbetuchte Versicherungsgesellschaften und Anwaltsbüros, die ich zu meinen ständigen Klienten zählen kann, würden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher