Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 2
Vom Netzwerk:
auszusprechen.
    »Einen Stammbaumnachweis getürkt?«, kam es mir problemlos über die Lippen. Aha, also kein echter Blaublüter. Er konnte mich nicht zur Gräfin machen. Ich muss zugeben, ich war enttäuscht. Bei einem echten Adeligen wären auch dreißig Jahre Altersunterschied und moppelige Eichhörnchenwangen kein Hinderungsgrund gewesen – aber so? Ich seufzte.
    Und als ich gerade fragen wollte, ob er bezüglich der Autorenschaft der anonymen Briefe eine Ahnung hegte, hörte ich es. Das Zischen in der Luft. Das Zischen einer fliegenden Kugel.
    »Runter!«, gellte ich, aber es war schon zu spät.
    Wir lagen in einem Meer aus Bröseln. Die Kugel hatte die Tüte mit den Keksen erwischt.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich Egon.
    Seine Eichhörnchenwangen wirkten verdächtig eingefallen. Ich machte mir Sorgen.
    »Alles bestens«, sagte er und richtete sich auf.
    Aus den Augenwinkeln sah ich in der Ferne eine Gestalt im Fluchtmodus. Ich sprang auf die Beine und hastete hinterher, aber in meinen Stöckelschuhen hatte ich keine Chance. Jeder Schritt eine Qual, lautes Japsen nach Luft, ein Brennen in den Zehen. Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass eine gute Detektivin in so einer Situation die Stöckelschuhe von den Füßen streift und barfuß rennt, was das Zeug hält. Aber so was bekommt man nur aus dramaturgischen Gründen im Fernsehen zu sehen. Im wirklichen Leben war es so, dass ich meine geliebten Jaguarpumps (Deichmann, 3 zum Preis von 2), die meine Knöchel so verdammt schmal aussehen ließen, nicht zurücklassen würde –
semper fi
. Wozu auch? Ich hatte die Gestalt erkannt und wusste, wo ich sie schon einmal gesehen hatte. Deshalb bestand absolut kein Grund, warum ich durch unnötiges Sporteln ins Transpirieren kommen sollte.
    »Es tut mir so leid. Ich hielt es für eine innovative Marketingidee.« Hannelore Schröttel schluchzte auf.
    »Es war eine blöde Idee!«
    Damit hatte ich sie getroffen. »So blöd auch wieder nicht. Schließlich warten alle Betroffenen voller Spannung auf den morgigen Tag.«
    Der morgige Tag war die Eröffnung von Hannelore Schröttels astrologischer Praxis im Burgbering.
    »Weil sie wegen der Drohbriefe Angst haben!«
    »Das sind keine Drohbriefe, das sind Aufmerksamkeitscatcher.«
    Hannelore Schröttel war nicht nur das Ehegespons von Donnerbüchsengreis Karl-Friedrich, wie mich die Wirtin der Zehntscheune auf Anfrage hatte wissen lassen, sie war auch eine diplomierte Astrologin, wie ich den Fernlehrgangs-zertifikaten an der Wand entnahm.
    »Morgen tritt der Krebsmond in den Uranus! Außerdem steht der Saturn im Quadrat zu Pluto!«, dozierte Hannelore mit Leidenschaft. »Das ist für alle Jungfraugeborene der absolute Neubeginn. Alles, was war, zählt nicht mehr. Eine totale Umwälzung. Nur darauf wollte ich mit meinen Briefen hinweisen. Hier, das ist der Brief, den ich heute verteilen wollte.«
    Sie drückte mir eine Briefvorlage in die Hand, auf der in der Tat Astrologisches stand – diesmal nicht in Buchstabenschnipseln, sondern in schnörkeliger Schönschrift –, sowie eine Einladung zur morgigen Praxiseröffnung und ein kostenloses Halbjahreshoroskop für alle Jungfraugeborenen mit Aszendent Krebs (andere Jungfrauen 30% Rabatt).
    »Und das hat jeder in Kronenburg bekommen?«, fragte ich.
    Hannelore sah mich mitleidig an. »Natürlich nicht! Ausschließlich die im Zeichen der Jungfrau Geborenen!«
    Das waren nur eine Handvoll Leute, wie sich herausstellte, dazu Egon und Karl-Friedrich und Christian.
    »Als ich vom Einkaufen nach Hause kam, da sah ich Sie mit meinem Mann an der Tür und hörte, wie Sie über die Briefe und Egon sprachen und zum ersten Mal dämmerte mir, dass man meine harmlose Publicityaktion auch missverstehen konnte. Und da ...«
    »... und da haben Sie auf uns geschossen!«, warf ich ein.
    Hannelore erbleichte. Wirklich. Sie wurde auf einen Schlag weiß. Das typische Kronenburgweiß eben. »Nein!« Sie schluckte schwer. »Ich hörte einen Schuss und bekam es mit der Angst und versteckte mich. Den Karli habe ich dann erst mal allein gelassen, der kommt schon zurecht, und ich hätte mich nur wieder über die antiquarischen Waffen im Haus aufgeregt. Ich wollte wissen, was Sie unternehmen, und als ich merkte, dass Sie zum Café gingen, bin ich vorgelaufen, aber dann kam Christian, und Christian ...« Ihre Stimme verlor sich.
    Aha. Also doch. Sie war die rothaarige In-den-Garten-Huscherin gewesen. Offenbar hatte Christian als Provinz-bewohner sein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher