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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 2
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schüttelte den Kopf. »Ich würde dir ja recht geben, aber zufällig weiß ich, dass noch ein Kronenburger exakt dieselben anonymen Briefe bekommen hat wie ich. Und nie im Leben hatten wir beide dieselben Frauen, weil er nämlich ...«
    In diesem Augenblick geschah es.
    Ein Schuss peitschte durch die Nacht, und die Weinflasche zerbarst in tausend Splitter. Christian ließ sich mit einem Aufschrei unter den Gartentisch fallen, ich war so perplex, dass ich einfach salzsäulengleich sitzen blieb, den Pappbecher noch an die Lippen gepresst.
    Meine Güte, da meinte es jemand wirklich ernst!
    Am nächsten Morgen stakste ich zu der Adresse des anderen Briefempfängers, die Christian mir aufgeschrieben hatte. Christian selbst hatte eine Ausstellung im örtlichen Kunststall und konnte mich nicht begleiten. Aber ich glaube, das war nur ein Vorwand. Er hatte einfach Angst.
    Staksen deshalb, weil ich Stöckelschuhe trug, Kronenburg aber durchgängig mit Pflastersteinen ausgelegt schien. Stöckelschuhe auf Pflastersteinen – kein leichtes Unterfangen für eine glattasphaltgewohnte Großstadtfrau.
    Doch schließlich stand ich vor einem entzückenden Fachwerkhaus, dunkle Holzbalken, blendend weißer Anstrich, der in der Sonne strahlte, liebevoll bepflanzte Blumenkästen vor den Fenstern.
    Ich klingelte.
    »Ja?«, meldete sich eine Stimme hinter der geschlossenen Tür. Es war eine angstvibrierende Stimme.
    »Ich komme wegen der Drohbriefe«, rief ich. Was auch sonst?
    Die Tür wurde nicht geöffnet, dafür aber das kleine, in die Tür eingelassene Butzenfenster. Ich kann mich irren, aber ich glaube, der Mann hielt eine Flinte in der Hand. »Haben Sie die Briefe geschickt?«, fragte er mich vorwurfsvoll.
    Ich nahm es ihm irgendwie übel, dass seine Stimme nach kurzem Blick auf mich nicht mehr ängstlich klang. Sah ich etwa nicht aus wie ein Urweib, vor dem man sich fürchten musste?
    »Natürlich nicht!«, blaffte ich dementsprechend empört. »Ich komme von Christian. Er hat die gleichen Briefe erhalten wie Sie. Sie sind doch Karl-Friedrich, oder?«
    Der Mann schien unglaublich alt. Er starrte mich geraume Zeit an. Womöglich blickte er in meine Seele. Oder er hatte nur vergessen, seine Brille aufzusetzen und konnte jetzt rein gar nichts erkennen. Schließlich öffnete er die Tür. Und ja, er hielt eine Flinte in der Hand. Besser gesagt, eine Büchse aus den napoleonischen Kriegen.
    »Das muss aber diskret behandelt werden«, verlangte er und sah mich streng an.
    Ich nickte.
    »Schalten Sie auf gar keinen Fall die Polizei ein. Das würde meine Ehe gefährden. Es war ein einmaliger Ausrutscher. 1977. Auf dem Stadtfest zur 700. Wiederkehr der ersten urkundlichen Erwähnung von Kronenburg. Es hatte nichts zu bedeuten, aber es würde Hannelore das Herz brechen. Zu niemand ein Wort, verstanden?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Bei Christian und Egon ist das was anderes, die sind alleinstehend. Aber ich muss Rücksicht auf meine Frau nehmen.«
    »Wer ist Egon?«
    »Mein Nachbar. Er hat diese Briefe auch bekommen.«
    Und dann, gerade als ich mein rotes Moleskine-Notizbuch zücken wollte, um mir Egons Daten zu notieren, tat es einen Knall, und die kleine Butzenscheibe des Türfensters zerbarst zu einem Scherbenregen. Ich warf mich schützend auf den Greis. Gemeinsam gingen wir zu Boden. Hörte ich Knochen knirschen? Womöglich. Aber das Knirschen ging in dem gewaltigen Donner unter, der unsere Trommelfelle und die Sammeltassen in den Anrichten sämtlicher Häuser der Gasse zum Scheppern brachte, als sich doch tatsächlich ein Schuss aus der Büchse des Alten löste.
    Ich trank mich im Café Zehntscheune durch sämtliche Brände und Liköre der Kronenburger Destille, nicht etwa draußen im Außenbereich, trotz des herrlichen Wetters, da hätte ich ein allzu leichtes Ziel abgegeben, sondern drinnen, in der urigen Kaminecke. Die Chefin riet mir zu Eifeler Kartoffelsuppe, damit mir der Alkohol nicht gar so schnell in den Kopf stieg, aber ich lehnte ab. Ich wollte vergessen. Und zwar sofort.
    Nachdem ich Karl-Friedrich die Glassplitter aus dem Pullunder gezupft und mich versichert hatte, dass er unverletzt war, hatte er mir die Tür gewiesen. Seine Hannelore konnte jeden Moment vom Einkaufen zurückkehren. Und trotz des Schusses wollte er keine Polizei eingeschaltet wissen. Mit einem Surren in den Ohren hatte ich daraufhin einen Ort gesucht, an dem ich mich im Schutz von vier Wänden in eine bessere Welt trinken konnte.
    Außer mir saß nur
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