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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 2
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Beuteschema signifikant erweitert.
    Ich sah sie an, eine mittelalte, mit einem Greis vermählte Rotgefärbte, na ja Orangegefärbte, die dem Leben noch einmal etwas Selbstverwirklichung und Glück abtrotzen wollte, astrologisch und in der Horizontalen. Also quasi wie ich, nur mit Sternengedöns.
    Ich glaubte ihr.
    Die Frage erhob sich, wenn der Schütze gar nicht in Zusammenhang mit den vermeintlichen Drohbriefen stand, was war dann sein Motiv? Und wer war der Schütze?
    Ich saß unter einem – natürlich weißen – Sonnenschirm auf der Terrasse meines Hotels.
    Allmählich dämmerte mir, dass nur eine Erklärung übrig blieb: Die Schüsse hatten gar nicht Christian oder den anderen Männern gegolten. Die Schüsse galten mir!
    Meine Knie wurden weich. Gut, dass ich schon saß.
    Wer konnte es auf mich abgesehen haben? Sicher kein Ex-Lover. Davon gab es nicht viele, und keinem von denen traute ich den Umgang mit einer Waffe zu.
    Vielleicht ein Inkassobürogeldeintreiber? Ich hatte noch ein paar Außenstände. Aber so riesig waren die nicht. 250 Euro bei einem Versandhaus und die 3,50 Euro bei meinem Metzger, als ich letzte Woche meinen Geldbeutel vergessen hatte.
    Ein russischer Auftragsmörder, der mich mit jemand verwechselt hatte? Man sagte mir nach, dass ich einer Nachrichtensprecherin ähnlich sah. Ich nenne keine Namen.
    Und in diesem Moment tat es einen Knall, und mein leeres Campariglas zerbarst in tausend Stücke.
    Das ging zu weit!
    Ich hatte keine Lust mehr auf pseudokriminelle Ermittlungen. Das Einzige, was mich hätte weitermachen lassen, wäre eine Lobotomie gewesen, aber für chirurgische Eingriffe hätte man in die nächste Kreisstadt fahren müssen, und da konnte ich auch gleich nach Hause. Folglich packte ich meine Koffer.
    Jede halbwegs vernünftige Frau hätte sich daraufhin in ihr Auto gesetzt und wäre schnurstracks losgefahren, ich dagegen sprühte mich mit
Very Irresistible
von Givenchy ein und stöckelte auf einen letzten Abschiedskuss zu Christian.
    Wieder senkte sich der Abend über Kronenburg. Ein paar Versprengte waren noch unterwegs, aber als ich vor Christians Häuschen stand, war ich allein.
    Dachte ich.
    Dann hörte ich das Atmen. Nein, es war kein erregtes Luströcheln, das aus den Ritzen des Gemäuers und unter der Haustür hindurch an meine Ohren drang. Aus meiner Beziehungszeit mit Christian wusste ich, wie es klang, wenn ich unerwartet nach Hause kam und er gerade auf einer Fremdfrau schnaufte.
    Nein, es war der Atem des Todes.
    Und da hörte ich auch schon den Knall, und das Holz der Haustür vor mir splitterte.
    So nicht!
    Ich packte die teure Weinflasche, die ich Christian hatte schenken wollen, am Hals und rannte in die Richtung, aus der der Schuss gekommen war. Das hatte nichts mit Mumm oder Tollkühnheit im Angesicht des Todes zu tun, das war eine rein hormonelle Reaktion. »Wer ist da? Was wollen Sie?«, brüllte ich und schwenkte einschüchternd die Rotweinflasche.
    Und blieb abrupt stehen.
    Den Geruch kannte ich doch? Er waberte mir ein paar Schritte weiter vorn aus der schmalen Gasse mit den Steinstufen entgegen. Ich wagte nicht, weiterzugehen. Das war auch nicht nötig. Der glänzende Lauf einer Waffe tauchte plötzlich hinter der Hauswand auf, dann eine Hand, dann ein Arm und schließlich ein Gesicht.
    Ich schluckte. »Mutti?«
    »Fünfundzwanzig Jahre Mitgliedschaft im Schützenverein, die goldene Nadel des Kreisschützenverbands, viermal in Folge der erste Platz im Schweinepreisschießen – und du glaubst, du wärst auch nur eine Sekunde lang in Gefahr gewesen?« Mutti war Fleisch gewordene Empörung.
    »Du hast auf mich geschossen!«
    Wir saßen am Gartentisch von Christian. Christian hatte sich im Haus verbarrikadiert.
    »Ich schieße doch nicht auf mein Kind!« Mutter rollte mit den Augen. »Liebes, als du angerufen und gesagt hast, du willst zu diesem Nichtsnutz, diesem Weiberheld, diesem Hallodri, diesem Lotterbuben, diesem elenden ...«
    »Mutti!«
    Mutter atmete langgezogen aus. »Ich hatte Angst, du kehrst zu ihm zurück. Ich kenne dich doch. Du bist schwach. Das sind die Gene deines Vaters.« Sie streichelte mir über die Wange. »Du bist nicht wie ich – dir ist es nicht gegeben, einen Seitensprungjunkie zu einem treuen Gefährten umzuerziehen.«
    Ich musste an Psycho denken und an die mumifizierte Mutter, die auf dem Dachboden an den Schaukelstuhl gefesselt war. Ein verlockender Gedanke.
    »Ich habe dir nur einen Schreck einjagen wollen, Kleines. Ich
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