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Berliner Zimmer - Roman

Berliner Zimmer - Roman

Titel: Berliner Zimmer - Roman
Autoren: Haymon
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schaltete das Gerät aus und Gregor drehte sich auf die andere Seite, ohne mich wahrzunehmen.
    Dann ging ich zurück zu Angelina. Sie saß noch auf dem Sofa, den Kopf auf der Lehne, die Augen geschlossen. Sie hatte nicht einmal ihre Jacke ausgezogen. Ihr Rock war hochgerutscht und zeigte ihre weißen glatten Schenkel unter den Nylons und ich fragte mich, wie Gregor diese Frau verdient hatte.
    Als sie mich kommen hörte, öffnete sie ein Auge zur Hälfte und deutete mir, mich hinzusetzen. Ich schob die bunten Kissen zur Seite, ließ mich vorsichtig neben ihr nieder und streckte ebenfalls meine Beine aus. Angelina lächelte still in sich hinein, ließ die Hand, mit der sie mich eben noch eingeladen hatte, zwischen unsere Körper fallen, und so blieben wir.
    Ab und zu hörte man vom Wohnzimmer her Gregor schnarchen, Angelina gluckste jedes Mal, als amüsierten sie Gregors Laute, dann war es wieder still.
    Die Geräusche der Autos drangen wie durch Watte von der Straße herauf, und irgendwann schienen sich auch diese in der Weite der Nacht aufzulösen. Durch das Fenster des Flurs fiel mildes Mondlicht und warf die Schatten der Sträucher vor dem Eingang auf die Wand. Konturen, die sich verschoben mit jedem Windhauch, oder langsam verschwammen, wenn der Mond sich hinter Wolken verlor.
    „Man müsste was essen“, murmelte Angelina plötzlich, aber wir waren beide zu müde, um uns in die Küche zu bewegen. Ich empfand es als Wohltat, meine Beine ausstrecken zu können und für kurze Zeit meine Augen zu schließen. Irgendwann spürte ich, dass Angelinas Oberkörper sich immer mehr auf meine Seite neigte, bis ihr Kopf schließlich auf meiner Schulter zu liegen kam. Ein paarmal versuchte sie noch, sich mit ihren Händen auf der Kante der Couch abzustützen und sich wieder hochzurappeln, aber es gelang ihr nicht und schließlich gab sie es auf.
    In meinem Kopf tummelten sich wildfremde Elektriker, die in einem obskuren Auftrag handelten, und irgendwann fiel mir das Bild vom Grab meines Vaters auf dem städtischen Friedhof entgegen. Es kippte in meine Gedanken und mit ihm der weiße Stein und die Friedhofserde, die zwei Meter hoch auf den Sarg drückte. In meiner Vorstellung war beides kalt und schwer vor Nässe, jetzt nach der langen Regenzeit.
    Zusammen mit Angelina und Mama hatte ich einen Rosenstrauch ausgesucht und in diese Erde gepflanzt. Ich hatte keine Ahnung, ob er noch blühte. Damals war er voller kleiner hellrosa Blüten gewesen, die aussahen wie die von Heckenrosen, aber der Gärtnergehilfe, der uns den Strauch bis ans Grab gebracht hatte, hatte geschworen, dass das keine Heckenrose sei, dafür aber einen anderen Begriff verwendet, an den ich mich nicht mehr erinnern konnte. Mit einer kleinen Schaufel (oder war es ein Spaten gewesen) hatte er ein Loch gegraben, um den Wurzelballen tief genug in die Erde zu setzen, und dabei auf Angelinas Strümpfe geschielt, über die sich eine dünne Laufmasche zog.
    Mama hatte recht, fiel mir ein, jemand sollte wirklich die Rosen zurückschneiden. Aber ob Ende Mai dafür die richtige Jahreszeit war? Auf der Rückfahrt vom Friedhof hatte Angelina dann mit etwas Nagellack die Laufmasche in ihren schwarzen Nylons fixiert, und Mama hatte indigniert zur Seite geschaut. Hundsrose, ja genau, so hatte der Gärtner sie genannt. Hundsrose, hatte er gesagt, sei das bestimmt keine.
    Als ich bemerkte, dass Angelina eingeschlafen war, stand ich vorsichtig auf (Angelina seufzte) und sah noch nach Gregor, welcher verwundert die Augen aufriss, als ich ins Wohnzimmer trat. Aber gleich darauf dämmerte er wieder weg. Dann stieg ich ins Auto, schaltete das Radio ein und fuhr zurück über den Pass, über die Berge.

4
    Vaters Tumor war von einer Computertomographie zur nächsten um einiges gewachsen, aber die Ärzte waren guten Mutes, die Sache in den Griff zu kriegen. Entgegen meinem Eindruck bei der ersten Besprechung rieten sie uns jetzt davon ab, Vater über das anhaltende Wachstum seines giftigen Knotens zu informieren. Es brauche einfach nur Zeit, sagten sie, bis der Körper auf die Bestrahlungen reagiere. Dann könne man weitersehen und die nächsten Schritte überlegen, mit etwas Glück komme man vielleicht um eine große Operation herum.
    Wir gingen niedergeschlagen zu Vater zurück und erzählten ihm, dass wir mit dem Primar gesprochen hätten oder mit einem Oberarzt und dass alles so weit in Ordnung sei. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er wieder vollkommen wiederhergestellt sei.
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