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Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille

Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille

Titel: Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
Autoren: Jonas Winner
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Kopf.
    Ausatmen.
    Einatmen.
    Es ist kein Knistern, vielmehr ein Summen. Ein dringliches Brummen, vielstimmig, bewegt.
    Geräuschlos richtet sich Butz etwas auf, bewegt sich katzenartig in einem großen Schritt über Michas Leiche hinweg, hinein in das Wohnzimmer, in dem die Leiche des Kriminaltechnikers auf dem Glastisch liegt. Scannt den Raum. Zwei Türen gehen davon ab.
    Eine auf den Flur.
    Als Butz dorthin blickt, sieht er den Rumpf eines weiteren Mannes davor liegen. Einer der beiden Schutzpolizisten. Er hat Butz den Rücken zugedreht, rührt sich nicht.
    Butz spürt, wie sich seine rechte Hand verspannt. Er hat sie viel zu fest um den Griff der Waffe geschlossen.
    Die zweite Tür.
    Schritte, die draußen über den Hof gehen.
    Niemand im ganzen verdammten Haus scheint etwas mitbekommen zu haben.
    Ein Schweißtropfen rinnt Butz‘ Flanke herab.
    Die zweite Tür ist angelehnt.
    Das Summen - es kommt von dort! Von dahinter!
    Butz macht einen Schritt auf die Türöffnung zu, sieht, wie seine Hand sich vorstreckt, die Tür berührt. Lautlos gleitet sie zurück.
    Ein warmer Schwall süßlichen Gestanks wabert ihm entgegen.
    Es sind Fliegen. Dutzende - Hunderte.
    Butz‘ Augen tasten sich durch den Raum. Das Deckenlicht ist eingeschaltet.
    Der vierte Beamte. Er liegt in der Ecke zwischen Bett und Schrank, muss von dem Schuss gegen die Wand geschleudert worden sein. Sein Oberkörper ist nach vorn geknickt, schwebt nur eine Handbreit über den ausgestreckten Beinen.
    Der Schrank steht offen, wahrscheinlich war der Beamte gerade dabei, ihn zu durchsuchen.
    Aber das ist es nicht, was Butz‘ Blick fesselt.
    Es sind die Tüten und Tütchen, Schnipsel und Krümel. Die Schokoriegelreste, Plastikflaschen, Chipsflocken, Flipshörnchen, Eisbecher, Gummibärchenklumpen, Getränkedosen … Der gesamte Schlafzimmerfußboden ist von den Resten einer Junkfoodorgie handbreithoch bedeckt, die tage-, wenn nicht wochenlang angedauert haben muss.
    Es ist nicht das erste Mal, dass Butz dieses Tütenmeer sieht. Es ist ihm schon auf dem Foto aufgefallen - auf dem Foto, das Micha ihm aufs Handy geschickt hat.
    Und doch ist es, als müsste sich Butz in Fehrenbergs Schlafzimmer erst noch orientieren.
    Denn …
    Die Tüten und Tütchen und Chips und Flips kennt er zwar schon.
    Aber …
    Das Bett …
    Fehrenbergs Leiche … Aufgeschwemmt und grotesk entstellt - auf dem Foto ist sie deutlich zu erkennen gewesen. Und sie hat auf dem Bett gelegen.
    Jetzt aber ist das Bett leer.
    Die Fliegen sind noch da. Ihr Summen erfüllt die Luft, schon sitzen sie auf Butz‘ Händen, seinem Gesicht, seinen Lippen.
    Die Leiche aber - Fehrenbergs Leiche - ist weg.

4
     
    Zwei Jahre vorher
     
    „Die geht auch von innen auf, keine Sorge.“
    Max war zusammengezuckt, als die Tür hinter ihm mit einem sattem Schlag ins Schloss gefallen war.
    Quentin winkte ihn weiter. „Geht ganz schnell - wir können gleich wieder raus.“
    Max versenkte die Hände in den Hosentaschen seines Cut. Wenn er ausatmete, entwich eine Dampfwolke seinem Mund. Er sah, wie Quentin an ein Regal des Kühlraums trat und die beiden mitgebrachten Wassergläser auf einem Styroporkasten dort abstellte. Durch den durchsichtigen Deckel des Kastens hindurch konnte Max mehrere Fische erkennen, die von einer bröckligen Eisschicht bedeckt waren.
    Quentin griff hinter den Kasten und als seine Hand wieder zum Vorschein kam, hielt er eine eisgekühlte, von Raureif überzogene Flasche darin. Kurzerhand schraubte Quentin die Flasche auf und schenkte die beiden Gläser vier Finger hoch voll.
    „Hier.“ Er reichte Max eins der beiden Gläser.
    Max nahm es und roch daran. Die Flüssigkeit war geruchlos, durchsichtig - ‚sauber‘, wie er denken musste. Sie schien nur ein wenig träger als Wasser zu sein - dichter, öliger.
    „Auf deine kleine Schwester!“ Quentin grinste.
    „Auf Betty.“ Max stieß mit seinem Glas gegen das von Quentin, setzte es an und kippte den Kopf nach hinten. Eiskalt rann die wunderbar trockene Flüssigkeit in seinen Rachen. Es war, als bräuchte er gar nicht zu schlucken. Der Wodka schoss heiß durch seine Brust und explodierte tief in seinem Bauch. Max atmete aus, fühlte, wie der Alkoholdampf durch seinen Mund entströmte - während sich blitzschnell in seinem Körper ein Kick ausbreitete, als würde er eine Spritze zusätzlichen Lebens eingeimpft bekommen haben.
    Quentin hielt die Flasche hoch. „Noch einen?“
    Max leckte sich die Lippen. Die Marke, die Quentin im Kühlraum
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