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Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille

Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille

Titel: Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
Autoren: Jonas Winner
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aber von Henning oder sonst wem zu einem Schritt drängen lässt, den du gar nicht gehen willst, ist das etwas anderes. Ich hab echt keine Lust, dass du morgen früh bei mir auf der Matte stehst und sagst, dass es ein Fehler war.“
    Betty hielt den Kopf gesenkt und blickte auf die Spitzen ihrer weißen Schuhe.
    „Liebst du ihn denn?“
    Betty rührte sich nicht.
    „Du weißt nicht, ob du ihn liebst?“
    Lisas Schwester schüttelte den Kopf, unmerklich, aber unübersehbar.
    „Hm.“
    Das war natürlich ein Problem. Wenn Betty die Hochzeit platzen ließ und danach feststellte, dass Henning doch der Richtige gewesen wäre …
    Betty sah zaghaft auf, als fürchtete sie, im Blick der Schwester lesen zu müssen, dass sie wirklich in einer nahezu ausweglosen Situation steckte.
    „Henning ist … “, ‚ein netter Kerl‘, wollte Lisa sagen, ‚ein guter Mann‘, ‚ein guter Freund‘ – aber das alles war sicher nicht das, was Betty hören oder heiraten wollte.
    „Ja, ich weiß“, murmelte ihre Schwester. „Deshalb habe ich es ja überhaupt erst so weit kommen lassen. Aber er … “ Sie sah zu Lisa, ihre Augen glühten. „Weißt du, wenn es Felix wäre, das wäre etwas anders. Aber Henning? Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass er … Ich meine, ich hab ihn ja lieb, er war immer freundlich zu mir, und als er mich gefragt hat, ob ich ihn heiraten will, war ich so überrascht, es erschien mir eine so verrückte Idee, dass ich dachte … ich dachte, dass es vielleicht mit uns klappen könnte! Aber jetzt … wo alles so weit ist … ich weiß nicht. Es ist, als ob ich plötzlich unsicher geworden wäre.“
    Was hat Felix damit zu tun, schoss es Lisa durch den Kopf.
    „Ich habe versucht, mit Henning darüber zu reden“, fuhr Betty fort, beide Hände fest um den Blumenstrauß geschlossen, „hatte gehofft, dass er meine Zweifel mit einem einfachen Wort beiseite wischen würde. Ja, vielleicht hatte ich sogar gehofft, dass er es gar nicht so ernst nehmen würde, dass er so verrückt bleiben würde, wie er es gewesen war, als er mich gefragt hat, ob ich ihn heiraten will. Aber Henning … er schien richtig erschrocken zu sein, er meinte, dass wir dann alles absagen müssten, sprach von seinen Eltern, von Mama, von unseren Freunden … “
    Bettys Blick wirkte, als ob sie in Lisas Gesicht förmlich Halt suchen würde. „ … kein Wort davon, dass wir es schon schaffen würden. Ich hatte den Eindruck, dass für ihn der einzige Grund, weshalb wir es doch machen sollten, der war, dass es ihm peinlich sein würde, jetzt noch alles wieder abzublasen, verstehst du?“
    Lisa nickte. Das sah Henning ähnlich.
    „Wenn es Felix wäre“, fing Betty wieder an, „der weiß, was er will, der lässt sich nicht reinreden. Aber Henning?“ Jetzt traten ihr doch Tränen in die Augen. „Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, ausgerechnet Henning heiraten zu wollen!?“
    Lisa zögerte. „Weißt du, vielleicht machst du dir da falsche Vorstellungen, Betty. Felix … vielleicht ist es ein Glück, dass es Henning ist und nicht Felix. Nicht so einer wie Felix.“
    Betty sah sie an, die Stirn gerunzelt, wie aufwachend aus den eigenen Gedanken.
    „Felix … er wirkt so souverän, so vergnügt … aber … “ Lisa suchte nach Worten, gab es jedoch auf und ließ den Satz unvollendet.
    „Aber was? “ Betty hatte sich ein wenig nach vorn gebeugt.
    „Es gibt Tage, Nächte, da … “ Sag ihr nichts davon!, herrschte etwas in Lisa sie an. Nicht an ihrem Hochzeitstag!
    „Was denn?“ Ungeduldig wandte sich Betty ihr ganz zu, als hätte sie ihre eigenen Sorgen schon fast vergessen.
    „Manchmal packt ihn eine Ungeduld“, murmelte Lisa leise, „eine Unbezähmbarkeit, ein Unwillen … “ NEIN! „Es ist, als wäre er nicht er selbst, als würde er … “ Lisa schluckte. Musste sie es ihrer Schwester nicht sagen? Betty wusste nicht, was sie tun sollte. Betty hatte sie gebeten, hierher zu kommen, sie hatte sie gebeten, ihr einen Rat zu geben …
    „Es überfällt ihn“, flüsterte Lisa und ihre Stimme war heiser. „Es ist, als ob er rasen würde. Er tut mir nicht weh, aber es ist, als ob es ihn zerfetzen würde. Als ob er all seine Kraft aufbieten müsste, um nicht über mich herzufallen, mich zu zerreißen, zu zerfleischen.“
    Betty starrte sie an, bleich, vollkommen perplex.
    „Und ich weiß nie, ob seine Kräfte ausreichen, um sich zu zügeln.“
    Erschöpft hielt Lisa inne. Mehr braucht sie nicht zu wissen, rauschte es in
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