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Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille

Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille

Titel: Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
Autoren: Jonas Winner
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gekommen sind - und auch jetzt wieder weitere Notfallwagen auf sie zurasen.
    Und diesmal reißt die Kette der Fahrzeuge gar nicht mehr ab. Die Luft scheint von den Alarmsignalen und Motorengeräuschen zu flirren. Claire kann die Helme der Männer sehen, ihre angespannten Gesichter, während die Wagen an ihr vorbeiwischen. In der Ferne ist eine blecherne Stimme zu hören, die elektronisch verstärkt etwas durchgibt.
    Sie rennen, aneinander geklammert. Claires Lunge brennt von dem Staub, der inzwischen die ganze Straßenschlucht ausfüllt. Zwischen den Häuserdächern weit oben graut der Morgen.
    „Hier!“
    Frederik reißt sie herum, hinein in einen Hauseingang, der offen steht.
    Claire fühlt, dass die Luft dort drinnen besser ist, der Staub den Eingang noch nicht ganz vollgeweht hat. Sie greift nach Frederiks anderer Hand, schlingt seine Arme um sich, presst sich an ihn und spürt, wie er versucht, ihren Körper mit seinem zu bergen.
    Einen Moment lang stehen sie eng umschlungen und der Wahnsinn, der an dem Haus vorbeitobt, scheint ihnen nichts anhaben zu können.
    Da erwacht Claires Handy zum Leben. Schon folgt ein lauteres Klingeln - ein drittes -
    Claires Hand fährt in ihre Jackentasche und reißt das Telefon daraus hervor.
    Sie starrt auf das Display.
    Ist es der Staub, der ihre Netzhaut verklebt?
    Buchstabenkolonnen rieseln über den kleinen Bildschirm -
    Was ist das?
    Es klingelt.
    Sie drückt den Knopf, presst das Gerät ans Ohr.
    „Ja!“
    Im gleichen Augenblick hört sie ein Knacken hinter sich - sieht, wie Frederik den Kopf über ihr zum Eingang dreht …
    … und weiß, dass sie sie haben.
    Sie haben sie über Claires Handy geortet.
    Verzweifelt versucht sie, Frederik an sich zu pressen - jetzt diejenige zu sein, die ihn schützt -
    „FREDERIK BARKAR!“
    Wie ist es möglich, dass sie ihn erst jetzt getroffen hat - jetzt, wo es zu spät ist.
    Claire fährt herum.
    Es ist der Mann vom Treppenhausfenster. Und sein Kollege.
    Sie hört den Schuss kaum, spürt nur, wie sich das Projektil neben ihr in den Putz der Wand bohrt.
    Dann hat Frederik sie durch die Tür gerissen, die neben ihnen in das Haus führt.
    Den Gang entlang, die Treppe herunter, die von dem Hausflur abgeht.
    Claire hört ihre Verfolger durch die Tür brechen, ihr Herz scheint in ihrer Brust mehr zu flattern, als zu schlagen - so schnell sie kann, hetzt sie neben Frederik den Kellergang entlang.
    Und plötzlich vernimmt sie es - unter dem Rascheln ihrer Schritte, unter den Rufen der Verfolger.
    Ein Quieken.
    Ein Quieken, als ob ganze Berge von Schaben plattgewalzt würden.
    Ein Quieken, das ihnen aus dem Gang entgegendringt, den sie entlang stürzen.

2
     
    „Ich rufe Felix an und sage ihm, dass du Till hergebracht hast, ja?“
    Lisa sieht an Till vorbei zu dem Mann, der ihn zu ihr gebracht hat und der sich an die noch offen stehende Eingangstür drückt.
    Das Narbengesicht blinzelt, seine Arme schlenkern um seinen Rumpf.
    „Geh jetzt, es ist alles in Ordnung.“
    Der Mann schnaubt durch die Nase, senkt den Blick, schiebt sich seitlich durch die Eingangstür auf den Hausflur.
    Till blickt zu Lisa, während sie die Tür hinter dem Mann schließt. Abgesehen von der Beerdigung gestern Vormittag hat er sie zwei Jahren lang nicht gesehen. Sie ist reifer geworden, obwohl sie erst dreiundzwanzig Jahre alt ist.
    „Warum hat er mich hierher bringen lassen“, stößt er hervor, „warum die Ratten, warum der Rattenmann - oder seine Stimme - hinter der Wand - “
    „Felix will wissen, auf welcher Seite du stehst, Till.“ Lisa hält seinem Blick stand.
    Mit einem Mal hört Till sich wieder brüllen, in dem Kellerraum, in dem er gestern Abend erwacht ist.
    ‚Aber er stirbt doch - er stirbt!‘
    Da sind sie wieder - die Schreie des Rattenmanns hinter der Wand - ein Laut, der wie ein endloser Strom dem Mund des Mannes entquillt. Ein Laut, bei dem der Rattenmann keine Luft mehr holen zu müssen scheint, bei dem das Entsetzen einfach aus ihm herausfließt - während das Getier in ihn eindringt.
    „Er hat mir erzählt, was passiert ist“, sagt Lisa, „dass du in dem Kellerraum auf ihn gehört hast … “
    ‚Ist nicht genau jetzt die letzte Chance, den Mann noch zu retten?!‘ - das war es, was Till geschrien hat.
    ‚Tja, Till‘, hat Felix ihm in dem Keller geantwortet, ‚hörst du auf deinen Verstand - oder auf deinen Bauch?‘
    „Dass du überlegt hast, geschwankt, gewankt, gezögert - “ Lisa sieht Till an.
    „Es war eine Prüfung!
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