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Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille

Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille

Titel: Berlin Gothic 4: Der Versteckte Wille
Autoren: Jonas Winner
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nicht aufhören kannst, sie zu lesen, obwohl du längst schlafen müsstest, weil du am nächsten Tag einen wichtigen Termin hast. Wenn es dich wie ein Messerstich trifft, weil ein Kapitel zu Ende ist und das nächste erst in einer Woche erscheint?“
    Max hatte die Lippen gespitzt.
    „Es gibt eine Reihe von Techniken, um diesen Effekt beim Leser zu erzielen, das ist nichts Neues. Du hast davon vielleicht schon mal gehört. Und dein Vater, Max, hat diese Techniken sozusagen in eine neue Dimension katapultiert.“
    „Welche Techniken, Felix?“
    „Die Techniken, einen Leser süchtig zu machen nach einer Geschichte.“
    „ Süchtig. “
    Felix wirkte jetzt ernster, das Lachen, das bisher immer unterschwellig gelauert hatte, schien er völlig vergessen zu haben. „Er wollte mir keine Einzelheiten verraten. Aber diese Techniken, die Gesetze der Spannung, wenn du so willst, das ist noch ein recht neues Gebiet. Und ich kann mir gut vorstellen, dass Xaver innerhalb kurzer Zeit auf einige sehr interessante Ergebnisse gestoßen ist, als er sich erst einmal mit all seiner Energie auf dieses Gebiet gestürzt hat.“
    „Du willst - was? Die Sucht deiner Kunden maximieren? Ist es das, Felix? Also geht es dir doch nur darum, so viele Bücher wie möglich zu verkaufen! Oder?“ Jetzt war Max derjenige, der verächtlich lachte. „Du handelst wie ein Dealer, der scharf darauf ist, einen besonders geilen Stoff in die Finger zu bekommen, weil er weiß, dass er den umso teurer verticken kann.“
    „Es geht nicht ums Geld, Max, das hab ich doch schon gesagt.“
    „Worum dann?“
    Felix schaute nachdenklich auf Max herunter. Dann stieß er sich von seinem Schreibtisch ab, ging ans Fenster und sah hinaus. Gedämpft drangen die Geräusche der Straße zu ihnen nach oben. Jenseits der Scheibe konnte Till ein Bürohaus aus der Gründerzeit sehen, das auf der anderen Straßenseite stand.
    „Ist dir aufgefallen, dass sich dein Vater in den letzten Wochen vor seinem Verschwinden verändert hat?“, hörte Till Felix fragen, ohne dass er sich zu ihnen umdrehte.
    „Ja, ist mir.“ Max hatte sich in seinem Sessel ein wenig aufgerichtet.
    „Darum geht es, Max. Du hast schon ganz recht: Es geht nicht direkt um die Sucht - die ist, wenn du so willst, nur die Form. Mittel zum Zweck. Der Zweck ist was anderes.“

4
     
    „Es ist ein ganz bestimmter Gedanke, der deinen Vater verändert hat, Max - ein Gedanke, den er sehr ernst genommen hat.“
    Sie hatten das Arbeitszimmer verlassen und sich in einen anderen Raum begeben, in dem ein Buffet mit kalten Speisen, Obst, etwas Brot und Gemüse angerichtet war.
    „Ein Gedanke, der ihn davon überzeugt hat, das Richtige zu tun, wenn er für mich arbeitete.“
    „Na dann“, sagte Max und sah sich das Buffet an, „verrat uns doch mal, was für ein Gedanke das war.“ Er blickte kurz zu Till und seine Augen blitzten auf.
    Felix deutete mit dem Daumen auf einen Präsentationsblock, der dem Buffet gegenüber auf einer Art Staffelei stand. „Dann brauche ich das Ding da.“
    „Nur zu!“ Max grinste und nahm sich einen Teller, um sich an dem Buffet zu bedienen.
    „Gut.“ Felix stellte seinen Teller auf der Anrichte ab und trat an das Flipchart. „Die Grundidee ist ganz einfach.“ Er griff nach einem der fetten Marker, die in einer Schiene unter dem Block lagen, und malte mit kräftigen Strichen eine gespaltene Linie auf das Papier.

    „Sie geht davon aus, dass ich wählen kann zwischen zwei Vorstellungen. Ich kann entweder der Auffassung sein, dass ich mich frei entscheiden kann, dass ich einen freien Willen habe, dass ich Herr meiner Entscheidungen bin - oder ich kann der Auffassung sein, dass die Freiheitsempfindung eine Illusion ist, dass ich in Wirklichkeit nicht frei entscheiden kann, dass alles, was ich tue, von Faktoren festgelegt ist, die meiner Macht entzogen sind.“
    Er kritzelte an die beiden Spitzen der zwei Pfeile ein paar Wörter und trat zur Seite.

    „So, oder? In jedem Augenblick kann ich wählen, ob ich sozusagen als freier Mensch handele, oder ob ich als unfreier Mensch handele, ob also, was ich tue, Ausdruck meines Willens ist, oder ob es Ausdruck … was weiß ich … von so etwas wie der Natur ist, von der ich ein Teil bin.“
    „Okay“, sagte Max.
    „Gut.“
    Felix wandte sich zurück zu seinem Block und ergänzte die Skizze um zwei Bögen.

     
    „Ich habe in einem Augenblick entschieden, sagen wir, dass ich frei bin, und kann im nächsten Augenblick gleich wieder
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